Ifo sorgt für Lichtblick
ba Frankfurt
Die deutsche Wirtschaft blickt zwar besorgt auf die potenziellen Folgen des Ukraine-Kriegs, von Panik ist aber keine Spur. Die Unternehmensstimmung hat sich im Mai überraschend weiter aufgehellt und laut Ifo-Präsident Clemens Fuest sind derzeit „Anzeichen für eine Rezession nicht sichtbar“. Mit Blick auf das Frühjahr sei allerdings allenfalls ein leichter Anstieg der Wirtschaftsleistung zu erwarten, heißt es im Bundesbank-Monatsbericht Mai – zumindest aus heutiger Sicht. „Gegenwind kommt insbesondere von der hohen Inflation, den Lieferengpässen, der hohen Unsicherheit und der schwächeren Auslandsnachfrage.“ Dem würden die breitflächigen und weitgehenden Lockerungen der Corona-Schutzmaßnahmen entgegenwirken, schreibt die Bundesbank.
Diese Einschätzung spiegelt sich auch im Ergebnis der monatlichen Ifo-Umfrage unter rund 9000 Unternehmen wider. Der Ifo-Geschäftsklimaindex ist im Mai um 1,1 auf 93,0 Punkte gestiegen (siehe Grafik). Ökonomen hatten statt des zweiten Anstiegs in Folge einen Rückgang auf 91,4 Zähler erwartet. „Die deutsche Wirtschaft erweist sich trotz Inflationssorgen, Materialengpässen und Krieg in der Ukraine als robust“, kommentierte Fuest.
Während die Unternehmen „vor allem merklich zufriedener mit den laufenden Geschäften“ waren, fiel ihr Ausblick nur geringfügig skeptischer aus als zuletzt. Die Erwartungskomponente liegt damit weiter auf sehr niedrigem Niveau. Dass Lageeinschätzung und Geschäftserwartungen „so weit wie noch nie auseinanderliegen“, zeigt Deka-Volkswirt Andreas Scheuerle zufolge, „wie groß die Gefahren und Herausforderungen für die Zukunft sind“.
Sorge vor Konsumverzicht
Insgesamt gesehen zeigen sich die Ökonomen zunehmend weniger optimistisch für den Sommer. Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer erwartet nur mehr eine Stagnation im zweiten Quartal. Die Zweifel an einer höheren Wirtschaftsaktivität nähmen zu, „da die Post-Corona-Konsumbelebung wankt“, prognostiziert Alexander Krüger, Chefökonom bei Hauck Aufhäuser Lampe.
Die Bundesbank erwartet zwar, dass die Konsumausgaben der privaten Haushalte im zweiten Quartal wieder deutlich zulegen könnten – doch „dürften die hohe Inflation, die damit verbundenen Kaufkraftverluste und die gestiegene Unsicherheit bezüglich des Ukraine-Krieges“ wiederum erheblich bremsen. Das GfK-Konsumklima ist jedenfalls zuletzt auf den tiefsten Stand seit fast 20 Jahren gefallen. Ökonomen rechnen aber damit, dass die Nürnberger Konsumforscher an diesem Mittwoch von einer leichten Stimmungsaufhellung für Mai berichten werden.
Die aktuelle Ifo-Umfrage zeigt ebenfalls, dass „die Sorge vor einer sinkenden Kauffreude der Verbraucher“ bestehe, wie Ifo-Experte Klaus Wohlrabe im Reuters-Interview sagte. Nach zwei Rückgängen sei das Geschäftsklima im Handel zwar wegen der besseren Lageeinschätzung gestiegen. Die Erwartungen blieben aber trotz einer leichten Besserung des entsprechenden Barometers weiter pessimistisch. Zudem bekämen immer noch „80% der Händler nicht alle Produkte, die sie bestellt haben“.
Die gestiegenen Lebenshaltungskosten werden sich auch bei den Dienstleistern als schwere Bürde erweisen – gegenwärtig profitiere der Sektor aber noch von den Nachholeffekten: Restaurants, Hotels und Bars seien gut gefüllt und der Freizeitsektor blicke aktuell auf gute Geschäfte, analysiert Thomas Gitzel, Chefökonom der VP Bank. Das Geschäftsklima der Dienstleister legte laut Ifo-Institut im Mai weiter zu, die Lagekomponente stieg so kräftig wie zuletzt im Juni 2021. Wenn Verbraucher für Lebensmittel und Energie deutlich mehr bezahlen müssen, bleibe für anderweitigen Konsum aber weniger übrig, mahnte Gitzel.
Die Stimmungsaufhellung in der stark exportabhängigen Industrie und im Baugewerbe bei zugleich weiter spürbarer Skepsis, über die die Münchener Konjunkturforscher berichten, beschäftigt auch die Ökonomen der Bundesbank: „Hohe Energie- und Materialkosten sowie die gestiegene Unsicherheit belasten die Produktion in der Industrie und im Bau.“ Neben dem Materialmangel wird aber auch immer öfter wieder der Personalmangel als Produktionshemmnis benannt. Die Exporte dürften wegen des stockenden Welthandels und geringer Nachfrage „ebenfalls spürbar unter dem Stand des Winterquartals verbleiben“, hieß es weiter bei der Bundesbank.