Eurozone

Inflations­rekord nährt Zweifel an EZB-Plan

Im Juni sind die Preise im Euroraum nochmals unerwartet stark gestiegen. Das erhöht den Druck auf die Europäische Zentralbank, die Zinsen schneller zu erhöhen als bislang in Aussicht gestellt.

Inflations­rekord nährt Zweifel an EZB-Plan

rec Frankfurt

Die Europäische Zentralbank (EZB) gerät wenige Wochen vor dem avisierten Auftakt ihrer Zinswende immer mehr in die Bredouille. Die Inflation in der Eurozone ist im Juni laut einer Schnellschätzung des Statistikamts Eurostat auf ein neuerliches Rekordhoch von 8,6% gestiegen, etwas stärker als erwartet (siehe Grafik). Das nährt Zweifel, ob die erste Zinserhöhung der EZB nicht doch größer ausfallen sollte als bislang avisiert. Zugleich sieht sich die EZB mit zunehmenden Risiken einer wirtschaftlichen Abschwächung konfrontiert.

Der EZB-Rat hat vor Wochen angekündigt, am 21. Juli die erste Zinserhöhung seit elf Jahren beschließen zu wollen. Er beabsichtigt nach eigenem Bekunden einen kleinen Schritt um 25 Basispunkte. Inzwischen fordern einige Währungshüter gleich zum Auftakt eine kräftigere Zinserhöhung. Auch EZB-Chefin Chris­tine Lagarde hat diese Option beim Zentralbankforum in Sintra ins Spiel gebracht für den Fall, dass sich der Inflationsausblick verschlechtert.

Für manche Experten sind die neuen Preisdaten dahingehend ein klares Indiz: „Sie erhöhen den Druck auf die EZB, die Zinsen im Juli um mehr als die angekündigten 25 Basispunkte anzuheben“, meint etwa Commerzbank-Volkswirt Christoph Weil. Eine Erhöhung um 50 Basispunkte, die den Negativzins für Banken von derzeit −0,5% auf einen Schlag beenden würde, hält auch Alexander Krüger von der Privatbank Hauck Aufhäuser Lampe für angezeigt: „Bevor die Konjunktur nicht mehr mitspielt, sollte die EZB schon im Juli einen großen Zinsschritt wagen.“ Es gibt aber auch Analysten, die eher nicht damit rechnen, dass die jüngsten Inflationsdaten für ein Umdenken im EZB-Rat genügen.

In Deutschland ist die Inflation im Juni gegen den europäischen Trend rückläufig. Deshalb hat Beobachter überrascht, dass sich die Inflation im gesamten Währungsgebiet derart stark von 8,1% im Mai auf nun 8,6% beschleunigt hat. Das ist einmal mehr der höchste Stand seit Einführung des Euro 1999. Das EZB-Inflationsziel liegt bei mittelfristig 2%.

Getrieben wurde die Teuerung durch den sehr starken Anstieg der Preise für Energie, die sich zum Vorjahresmonat um 41,9% verteuerte. Lebens- und Genussmittel waren 8,9% teurer. Laut Ifo-Institut müssen sich Konsumenten in Deutschland auf mehr Ungemach einstellen: Einer Umfrage zufolge plant fast jeder Händler Preiserhöhungen für Lebensmittel. Die Kerninflationsrate, in der diese schwankungsanfälligen Komponenten außen vor bleiben, ging in der Eurozone im Juni minimal auf 3,7% zurück.

Allerdings gibt Weil zu bedenken, dies sei „alleine der temporären Einführung des 9-Euro-Tickets im öffentlichen Regionalverkehr in Deutschland zu verdanken“. Läuft das auf drei Monate befristete 9-Euro-Ticket Ende August aus, wird sich der Effekt umkehren und „die Teuerungsrate in der Eurozone um 0,3 Prozentpunkt nach oben drücken“, rechnet Jörg Angelé vom Vermögensverwalter Bantleon vor. Fritzi Köhler-Geib, Chefvolkswirtin der KfW, gibt darüber hinaus zu bedenken, dass Mindestlohnerhöhungen in mehreren Mitgliedstaaten zum Tragen kämen. „Das spricht gegen einen schnellen Rückgang der Inflation und birgt die Gefahr einer Lohn-Preis-Spirale.“

EZB-Chefin Lagarde hat vor wenigen Wochen den Kampf gegen die hohe Inflation zur Priorität erklärt und Sorgen um das Wachstum einstweilen hintangestellt. Allerdings mehren sich mahnende Stimmen. Für die Ratingagentur Fitch hat sich das Risiko einer Rezession in der Eurozone „signifikant“ erhöht. Das Centrum für Europäische Politik sieht die Eurozone gar in der „Stagflationsfalle“ aus anhaltend hoher Inflation und Wachstumsschwäche.

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