Institute gehen fest von Rezession aus
ms Frankfurt
Die deutsche Wirtschaft steuert nach Einschätzung der führenden Wirtschaftsforschungsinstitute schnurstracks auf eine Rezession zu – die im schlimmsten Fall sogar beispiellos werden könnte. In ihrer am Donnerstag veröffentlichten Gemeinschaftsdiagnose sagen die Experten für 2023 einen Rückgang des Bruttoinlandsprodukts (BIP) um 0,4% voraus – nach einem Wachstum von 1,4% im laufenden Jahr. Für 2022 halbieren sie ihre Prognose damit annähernd, für 2023 geht es sogar um 3,5 Prozentpunkte nach unten. Mehr noch: In einem Risikoszenario mit einer Zuspitzung der Energiekrise halten sie sogar einen Einbruch von 7,9% im Jahr 2023 sowie von noch einmal 4,2% im Jahr 2024 für möglich.
Schlimmes Risikoszenario
Die Aussichten für die deutsche Wirtschaft haben sich zuletzt immer stärker verschlechtert; mancher Experte wähnt sie sogar bereits aktuell in der Rezession. Hintergrund ist insbesondere der Krieg in der Ukraine und die dadurch ausgelöste Energiekrise. Einige Beobachter befürchten sogar einen regelrechten Niedergang der deutschen Wirtschaft und plädieren für ein neues Geschäftsmodell für die deutsche Wirtschaft.
„Der russische Angriff auf die Ukraine und die daraus resultierende Krise auf den Energiemärkten führen zu einem spürbaren Einbruch der deutschen Wirtschaft“, sagte am Donnerstag Torsten Schmidt, Konjunkturchef des RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung und Sprecher der Projektgruppe Gemeinschaftsdiagnose. Laut Gemeinschaftsdiagnose fällt die Wirtschaftsleistung im laufenden und kommenden Jahr insgesamt um 160 Mrd. Euro niedriger aus als noch im Frühjahr erwartet. Für 2024 sagen die Experten im Basisszenario ein Wachstum von 1,9% voraus.
In ihrem Risikoszenario, das unter anderem einen sehr kalten Winter sowie geringere Gaseinsparungen unterstellt, prognostizieren die Institute sogar, dass das preisbereinigte BIP jeweils zu Jahresbeginn 2023 und 2024 massiv einbrechen wird. „Unter der Annahme, dass der dramatische Einbruch nicht mit einer Welle von Geschäftsschließungen einhergeht, dürfte die Gasmangellage in dem unterstellten Szenario zu einem Rückgang der gesamtwirtschaftlichen Leistung im Jahr 2023 von 7,9% und im Jahr 2024 von 4,2% führen“, heißt es in der Gemeinschaftsdiagnose.
Äußerst besorgt und skeptisch schauen die Experten auch auf die Inflationsentwicklung. Für dieses Jahr erwarten sie im Jahresdurchschnitt 8,4% Inflation und für 2023 sogar 8,8%. Erst im Jahr 2024 wird demnach die 2-Prozent-Marke allmählich wieder erreicht. Die Europäische Zentralbank (EZB) werde deshalb ihre Leitzinsen stärker anheben müssen als derzeit vielfach erwartet. Die Institute sagen bis Ende 2022 einen Leitzins von 2,25% voraus, der dann in der ersten Jahreshälfte 2023 auf 3,25% steige. Aktuell liegt der EZB-Leitzins bei 1,25%.
Für zumindest etwas Zuversicht sorgt der Arbeitsmarkt. Von ihm gehe „eine stabilisierende Wirkung“ aus. Zwar werde die Nachfrage nach neuen Arbeitskräften angesichts der konjunkturellen Schwächephase zurückgehen. „Die Unternehmen werden aufgrund des Fachkräftemangels in vielen Bereichen aber bestrebt sein, den vorhandenen Personalbestand zu halten, so dass die Erwerbstätigkeit nur vorübergehend geringfügig sinken dürfte“, heißt es von den Experten.