Johnson leitet tiefgreifenden Wandel ein
hip London
Der britische Premierminister Boris Johnson hat gleich in mehreren Politikbereichen tiefgreifende Veränderungen auf den Weg gebracht. In seiner Regierungserklärung, die Königin Elizabeth II. im Parlament verlas, ging es unter anderem um die Neuorganisation des National Health Service (NHS) und der Altenpflege, um eine Lockerung der Beschränkungen für Staatshilfen (Subsidy Control Bill) und um weniger bürokratische Hindernisse für den Wohnungsbau. Alles in allem waren um die 30 Gesetzesvorhaben enthalten, darunter auch eine Verschärfung des Demonstrationsrechts, höhere Haftstrafen für Menschenhändler und ein mit hohen Geldstrafen bewehrtes Online-Sicherheitsgesetz (Online Safety Bill), das den Betreibern von sozialen Medien die Verantwortung für die über ihre Plattformen verbreiteten Inhalte zuspricht.
Besonderes Interesse erregte das Vorhaben, den Fixed Term Parliaments Act von 2010 zu Fall zu bringen. Er sieht vor, dass die Regierung eine Zweidrittelmehrheit im Unterhaus benötigt, um Neuwahlen auf den Weg zu bringen, und hatte den Tories in den Jahren nach dem EU-Referendum erhebliche Probleme bereitet. Die Koalitionsregierung von Tories und Liberaldemokraten unter David Cameron wollte durch das Gesetz vorgezogene Neuwahlen erschweren. Johnson will sich dagegen die Möglichkeit verschaffen, zu einem beliebigen Zeitpunkt Wahlen anzusetzen, um von Umfragehochs profitieren zu können. In Westminster wird bereits darüber spekuliert, dass er geneigt sein könnte, die derzeitige Schwäche der Labour Party auszunutzen, um sich eine noch größere Mehrheit im Unterhaus zu verschaffen.
Elizabeth II. hielt die „Queen’s Speech“ ohne das übliche Zeremoniell. Die Königin trug statt Krone einen Hut. Eine prunkvolle Anfahrt mit der Kutsche vom Buckingham Palace nach Westminster gab es nicht. Die Zeremonie reicht bis ins 16. Jahrhundert zurück.
Pflegereform angekündigt
Der NHS soll wieder stärker der Kontrolle des Gesundheitsministers unterliegen. Der britische Gesundheitsminister Matt Hancock hatte bereits im Februar für eine umfassende Reform geworben. Es geht um integrierte Pflegesysteme, in denen NHS, Gemeinden und Pflegeeinrichtungen zusammenarbeiten. In der Pandemie wurden ältere Patienten mit Covid-19 aus NHS-Krankenhäusern ungetestet in Pflegeheime verlegt, um Betten für neue Patienten freizumachen. Das war einer der Gründe für die zahlreichen Todesfälle in Pflegeeinrichtungen. Öffentliche Ausschreibungen sollen nur noch erforderlich sein, wenn sich damit bessere Ergebnisse für die Patienten erzielen lassen.
Der Bürokratieabbau wird auch in einem Gesetz über die öffentliche Beschaffung im Allgemeinen aufgegriffen, das es kleinen und mittleren Unternehmen erleichtern soll, sich um öffentliche Aufträge zu bewerben.