Geldpolitik

Klare Linie nötig

Trotz des jüngsten deutlichen Rückgangs der Inflationsraten in den USA und im Euroraum – die hohe Inflation ist noch nicht besiegt. Die US-Notenbank Fed und die EZB dürfen sich deshalb jetzt nicht zurücklehnen.

Klare Linie nötig

Man möchte wahrlich nicht unbedingt Notenbanker sein in diesen Tagen: Die Gemengelage zwischen Inflationsgefahren und Rezessionsrisiken ist teilweise sehr widersprüchlich und der Ausblick angesichts von Ukraine-Krieg und anderen Krisen unsicher wie selten. Das mag auch erklären, warum Fed-Chef Jerome Powell und EZB-Präsidentin Christine Lagarde mitunter ambivalente Signale senden und für Konfusion sorgen. Ein Problem ist es dennoch. Was es jetzt braucht, ist eine klare Linie: Die hohe Inflation ist keineswegs schon besiegt, die Leitzinsen müssen weiter und notfalls auch noch deutlich steigen und vor allem – baldige Zinssenkungen stehen nicht auf der Agenda.

In den USA hat Notenbankchef Powell am Mittwochabend nach der erneuten Drosselung des Zinserhöhungstempos auf 25 Basispunkte zwar erklärt, dass die Fed noch viel Arbeit vor sich habe, um die Inflation in Richtung des 2-Prozent-Ziels zu drücken, und er signalisierte weitere Zinserhöhungen. Zugleich liebäugelte er aber mit einer baldigen Zinspause, und vor allem öffnete er nach Einschätzung einiger Beobachter durchaus die Tür für eine Zinssenkung noch in diesem Jahr. Tatsächlich kann die Fed erste Erfolge in Sachen Inflation vorweisen, und es ist wohl angemessen, die geldpolitische Brechstange des Jahres 2022 einzupacken und zu einer Feinsteuerung mit kleineren Zinsschritten überzugehen. Die Inflation ist aber immer noch viel zu hoch und die Risiken insbesondere durch den leer gefegten Arbeitsmarkt immens. Nach aktuellem Stand scheinen weitere Zinserhöhungen geboten – und rasche Zinssenkungen tabu.

Im Euroraum bemühte sich EZB-Präsidentin Lagarde am Donnerstag redlich, Entschlossenheit zu demonstrieren. Und tatsächlich ist die De-facto-Ankündigung für eine weitere Zinserhöhung um 50 Basispunkte im März – nach der Anhebung in gleicher Größenordnung am Donnerstag – ein starkes Zeichen. Zugleich kündigte der EZB-Rat aber für die Zeit danach eine (Neu-)Bewertung des Zinspfades im März an – was einige Beobachter sogleich als Hinweis interpretierten, dass sogar schon bei dem dann erreichten Einlagensatz von 3,0% Schluss sein könnte mit den Zinserhöhungen. Im Euroraum ist die Inflation bislang aber sehr viel weniger gesunken als in den USA, und vor allem zieht die Kerninflation (oh­ne Energie und Lebensmittel) noch an. Die EZB muss deshalb ihre Leitzinsen noch deutlich stärker anheben. Sonst wird es mit der raschen Rückkehr zum 2-Prozent-Ziel ganz sicher nichts.

Ja, es ist richtig: Die jüngste geldpolitische Straffung in den USA und in Euroland ist beispiellos, und sie ist noch gar nicht ganz in den Volkswirtschaften angekommen. Deswegen macht es Sinn, einen vorsichtigeren Kurs einzuschlagen und die Wirkung einzuschätzen. Und ja, natürlich rückt mit jeder Zinserhöhung der Höhepunkt im Zinszyklus näher. Aber nein, der jüngste Inflationsrückgang darf die Fed und die EZB nicht dazu verleiten, sich bereits zurückzulehnen. Und nein, für Zinssenkungen besteht absehbar keinerlei Veranlassung, wenn sich die wirtschaftliche Aktivität so entwickelt, wie es sich derzeit abzeichnet. Fed und EZB dürfen sich da auch nicht von den Finanzmärkten in eine überstürzte Lockerung hineintreiben lassen. Sonst droht sich die Inflation wie in den 1970er Jahren endgültig zu verfestigen.