US-Handelspolitik mit der Brechstange droht
Striktere US-Handelspolitik droht
Trump will alle Einfuhren mit Zöllen überziehen − Harris setzt auf Abgaben und „Modernisierung“ bestehender Abkommen
Donald Trump will sämtliche Importe in die USA mit Zöllen belegen. Kamala Harris setzt ebenfalls auf Abgaben, aber auch auf Kooperation mit Partnerländern. Die Vizepräsidentin will insbesondere bestehende Abkommen nachverhandeln. So oder so droht ein rigider Kursschwenk in der US-Handelspolitik.
Von Peter De Thier, Washington
Egal, wie der nächste Präsident der USA heißen wird, Handelspartner in aller Welt müssen sich auf eine Kursverschärfung vorbereiten. Der republikanische Präsidentschaftskandidat Donald Trump macht keinen Hehl aus seinen Plänen, im Falle eines Wahlsiegs eine Handelspolitik mit der Brechstange zu betreiben. Er will sämtliche Einfuhren in die USA mit Zöllen überziehen. Insbesondere will er den ökonomischen Erzrivalen China an den Pranger stellen. Seine demokratische Gegnerin Kamala Harris übt zwar scharfe Kritik an Trumps Plänen. Die harten Worte täuschen aber nicht darüber hinweg, dass auch die Handelspolitik der Vizepräsidenten darauf abzielt, die heimische Wirtschaft zu schützen.
Dauerhaftes Handelsdefizit
Seit Jahrzehnten ist das chronische Handelsdefizit der USA ein politischer Dauerbrenner. So ist fast ein halbes Jahrhundert verstrichen, seitdem die Wirtschaft einen Überschuss aufwies, nämlich im Jahr 1975. Von leichten Schwankungen abgesehen, ist der Fehlbetrag seit 1975 kontinuierlich gestiegen. 2021 überschritt das Defizit im Handel mit Waren erstmals 1 Bill. Dollar und verharrte in den beiden Folgejahren oberhalb dieser Schwelle.
Demokraten kritisieren seit langer Zeit, dass die Schräglage im Außenhandel Arbeitsplätze in den USA vernichte. Diesem Standpunkt haben sich Republikaner, die sich früher immer als Vorkämpfer des freien Welthandels verstanden hatten, mittlerweile angeschlossen. Gerade in einem Wahljahr, in dem beide Kandidaten auf die Unterstützung der Gewerkschaften angewiesen sind. Diese haben sich aber mehrheitlich hinter Harris gestellt.
Der „neue Protektionismus“
Verkörpert wurde der „neue republikanische Protektionismus“ von 2017 bis 2020 in der Person des 45. Präsidenten Trump. Er belegte 380 Mrd. Dollar an Importen aus dem Reich der Mitte mit Abgaben. Lediglich das Verhandlungsgeschick des ehemaligen EU-Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker konnte in letzter Minute verhindern, dass auch Stahl- und Aluminiumeinfuhren aus Europa betroffen waren.
Ungeachtet der Warnungen, die zahlreiche seiner Ökonomen ausgesprochen haben, will Trump nun sogar nachlegen. Sollte er im Januar die Nachfolge von Präsident Joe Biden antreten, dann hat der Unternehmer gedroht, sämtliche Importe in die USA mit einem Zoll in Höhe von 10% zu belegen. Die Abgaben für Einfuhren aus China würde er auf 60% anheben und für einige Produktgruppen noch höher ansetzen. Sein erklärtes Ziel ist es, hiermit das Haushaltsdefizit zu reduzieren und auch die versprochenen Steuererleichterungen zu finanzieren.
Belastung für Haushalte
Experten des Peterson Institute for International Economics (PIIE) haben errechnet, dass Trumps Zölle für den durchschnittlichen US-Haushalt einer jährlichen Mehrbelastung von 1.700 bis 2.600 Dollar entsprechen würden. Mit Blick auf die Schlussphase des Wahlkampfs sind die Zölle für Harris ein gefundenes Fressen. Sie geißelte Trumps Pläne. Diese seien nichts anderes als „eine unzumutbare Mehrwertsteuer auf Güter des täglichen Bedarfs“, sagt sie.
Sogar was draufgesetzt
Unterdessen will die Vizepräsidentin ebenfalls eine Politik verfolgen, die unverkennbar protektionistische Züge aufweist. So hat das Gespann Biden-Harris nicht nur viele der Zölle, die Trump eingeführt hatte, beibehalten. In einigen Bereichen, beispielsweise beim Import von Produkten, die der Förderung erneuerbarer Energien dienen, haben die Demokraten die Abgaben sogar erhöht. Für Elektroautos, die im Ausland gefertigt werden, sogar auf das Vierfache.
Gleichwohl wählt die Vizepräsidentin einen insgesamt differenzierteren Ansatz. „Einige Zölle können insofern hilfreich sein, als sie Bestandteil einer umfassenden Industriepolitik sind“, erklärt Seth Harris, der unter Biden stellvertretender Direktor des National Economic Council (NEC) war. Auch würden Einfuhrzölle nicht das Kernstück der Handelspolitik unter einer Präsidentin Harris sein. Vielmehr hat die Demokratin signalisiert, dass sie auf Kooperation anstelle von Konfrontation setzen will.
Unter anderem will sie bestehende Handelsabkommen „modernisieren“ und nachverhandeln. So war Harris nur eine von 10 Senatoren, die gegen das USMCA-Abkommen mit Kanada und Mexiko votierte. Ihr Einwand: Das Abkommen trage den Erfordernissen des Klimawandels nicht ausreichend Rechnung. Bei diesem sowie anderen Verträgen will sie außerdem durchsetzen, dass die Rechte von Arbeitnehmern stärkere Beachtung finden. Zudem plant sie im Bereich der Informationstechnologie sowie pharmazeutischen Produkten Maßnahmen, um dem Diebstahl geistigen Eigentums einen Riegel vorzuschieben.
Folgen für die Europäer
Unterm Strich glauben die meisten Experten, dass die Europäer sowie andere Partnerländer aus handelspolitischer Sicht unter einer Harris-Regierung besser bedient wären. So meint Mark Zandi, Chefökonom bei Moody‘s Analytics, nicht nur, dass Trumps Zölle die Inflation im Folgejahr um 0,7 Prozentpunkte hochtreiben würden. Auch wies Zandi im Interview mit der Börsen-Zeitung darauf hin, dass Trumps Abgaben Einfuhren im Wert von 3,5 Bill. Dollar treffen würden. Zölle unter Harris würden sich hingegen nur auf einen Bruchteil beziehen und wären vor allem strategisch ausgerichtet. „Trumps Pläne, sollte er gewählt werden, sollten allen Handelspartnern große Sorgen bereiten“, ist Zandi überzeugt.
Serie zur US-Präsidentschaftswahl: Protektionismus (2)
Zuletzt erschienen: Endspurt im Rennen um die US-Präsidentschaft (4.9.)