Konjunktur

Konsum zieht deutsche Wirtschaft hoch

Mit einem unerwarteten Mini-Wachstum im zweiten Quartal ist das Vorkrisenniveau erreicht. Die Aussichten bleiben allerdings mau: Die Unternehmensstimmung hat sich laut Ifo-Geschäftsklimaindex weiter eingetrübt.

Konsum zieht deutsche Wirtschaft hoch

ba Frankfurt

Die deutsche Wirtschaft ist im zweiten Quartal dank des staatlichen und privaten Konsums entgegen der ersten Schätzung doch leicht gewachsen. Eine solche Überraschung wird sich im laufenden dritten Quartal allerdings nicht wiederholen, denn Unsicherheit, Energiekrise, Lieferprobleme sowie Inflation sorgen weiter für konjunkturellen Gegenwind, und die Unternehmen sind im August erneut pessimistischer geworden. Der dritte Rückgang des Ifo-Geschäftsklimaindex in Folge ist zwar geringer ausgefallen als erwartet, ist aber ein weiteres Indiz für eine anstehende Re­zession.

„Die Stimmung in der deutschen Wirtschaft ist schlecht“, erklärt Ifo-Präsident Clemens Fuest das Minus des wichtigsten Frühbarometers um 0,2 auf 88,5 Punkte. Dies ist der niedrigste Stand seit Juni 2020. Ökonomen hatten einen schärferen Rückgang auf 86,8 Punkte prognostiziert. Sie bewerteten das Ergebnis der monatlichen Umfrage unter 9000 Führungskräften zwar positiv, aber immer noch als deutliches Rezessionssignal. Sowohl die Aussichten als auch die aktuelle Lage werden skeptischer eingeschätzt (siehe Grafik). Die Münchener Wirtschaftsforscher gehen davon aus, dass das Bruttoinlandsprodukt (BIP) im dritten Quartal um 0,5% schrumpfen wird, wie Ifo-Experte Klaus Wohlrabe im Reuters-Interview erklärte.

Zwischen April und Juni hat das BIP um 0,1 % im Quartalsvergleich zugelegt – die Erstschätzung hatte noch eine Stagnation ergeben. Damit hat die Wirtschaft wieder das Vor-Pandemie-Niveau erreicht, wie das Statistische Bundesamt (Destatis) mitteilte. Zum Jahresstart war das BIP noch um 0,8% geklettert. „Trotz der schwierigen weltwirtschaftlichen Rahmenbedingungen hat sich die deutsche Wirtschaft in den ersten beiden Quartalen 2022 behauptet“, betont Destatis-Präsident Georg Thiel. Im internationalen Vergleich liegt die hiesige Wirtschaft aber auf den hinteren Plätzen: Die Euro-Wirtschaft ist zwischen April und Juni um 0,6% zum Vorquartal gewachsen und übertrifft das Vorkrisenniveau um 1,4%. Die US-Wirtschaft schrumpfte zwar um 0,2%, liegt aber 2,5% über dem Vorkrisenniveau.

Außenhandel belastet

Gestützt wurde die deutsche Wirtschaft im zweiten Quartal vor allem von den privaten und staatlichen Konsumausgaben, die um 0,8% bzw. 2,3% zum Vorquartal zulegten. Die Verbraucher hätten trotz starker Preissteigerungen und Energiekrise die Aufhebung fast aller Corona-Beschränkungen genutzt, „um zum Beispiel wieder mehr zu reisen und auszugehen“. In Ausrüstungen wie Maschinen, Geräte und Fahrzeuge wurde 1,1% mehr investiert. Nach dem „ungewöhnlich guten und milden Winter“ rutschten die Bauinvestitionen laut den Wiesbadener Statistikern „deutlich ins Minus“ mit 3,4%. Da die Importe mit 1,6% stärker zulegten als die Exporte mit 0,3%, dämpfte der Außenhandel das Wachstum.

Die Wirtschaftsbereiche zeigten ein gemischtes Bild: Die Wirtschaftsleistung im verarbeitenden Gewerbe ging wegen der Entwicklung in den energieintensiven Branchen sowie der Metallerzeugung und -verarbeitung um 0,5% zurück. Das Baugewerbe verzeichnete ein Minus von 2,4%. Die meisten Dienstleistungsbereiche hingegen profitierten vom Ende der Corona-Restriktionen – mit Ausnahme des Handels.

Ein ähnliches Bild zeichnet die Ifo-Umfrage: Im verarbeitenden Gewerbe bleibt das Geschäftsklima stabil, wobei die besonders energieintensive chemische Industrie von „großen Problemen“ berichtet. Zudem berichtet Ifo-Experte Wohlrabe von einer deutlichen Entspannung der Material- und Lieferengpässe: Im August klagten nur mehr 62% der Befragten über Probleme – im Juli waren es noch 73,3%. „Das ist zwar noch keine Entspannung, aber ein positives Signal“, sagt Wohlrabe.

Bei den Dienstleistern hat sich das Geschäftsklima nach dem starkem Einbruch des Vormonats verbessert. Allerdings haben sich im Gastgewerbe die Aussichten deutlich eingetrübt: Hotels und Restaurants befürchteten, „dass sich die Gäste wegen der hohen Inflation künftig zurückhalten werden“. Und auch der Handel bangt Wohlrabe zufolge um sein Geschäft, nachdem die Verbraucherpreise auf Jahressicht um 7,5% zugelegt haben und im Herbst zweistellige Raten erreichen könnten. Das Geschäftsklima im Handel hat seine Talfahrt laut Ifo fortgesetzt.

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