Kosmetische Verfassungsänderung in Frankreich
Von Gesche Wüpper, Paris
Frankreich zum Vorreiter für Klimaschutz machen, so lautet eines der Ziele von Emmanuel Macron. Seit das französische Staatsoberhaupt seinem damaligen US-Amtskollegen Donald Trump 2017 kurz nach seiner Wahl mit dem Videoaufruf „Make our planet great again“ die Stirn geboten hat, setzt er sich dafür ein. Letztes Jahr versprach er, ein Referendum über die Verankerung des Klimaschutzes in der Verfassung durchzuführen. Die Konstitution Frankreichs entsprechend zu ändern, war eine der 150 Empfehlungen des von Macron als Antwort auf die Gelbwesten-Protestbewegung angeregten Klimaschutz-Bürgerkonvents.
Ob all das jedoch tatsächlich so kommen wird, ist inzwischen fraglich. Die von der konservativen Opposition dominierte zweite Kammer des Parlaments stimmte im Mai für einen anderen Entwurf der geplanten Änderung des ersten Artikels der Verfassung als die Nationalversammlung im März. „Sie (die Republik) garantiert den Erhalt der Umwelt und der biologischen Vielfalt und kämpft gegen den Klimawandel“, sollte die entsprechende Ergänzung der Konstitution eigentlich lauten. Doch der Senat strich den Begriff „garantiert“ und stimmte für die Formulierung: „Frankreich bewahrt die Umwelt sowie die biologische Vielfalt und geht gegen den Klimawandel wie von der Umwelt-Charta von 2004 vorgesehen vor.“
Voraussetzung für eine Volksbefragung ist jedoch laut Verfassung, dass die Abgeordneten beider Parlamentskammern demselben Text der Verfassungsänderung zuvor zustimmen. „Wir werden unsere Ambitionen nicht aufgeben“, erklärte Premierminister Jean Castex nach der Abstimmung des Senats. Die Nationalversammlung soll deshalb im Juni erneut über den Text entscheiden.
Theoretisch kann der Entwurf dann erneut zwischen beiden Parlamentskammern hin- und hergereicht werden. Macron hat im Mai versprochen, darüber zu wachen, dass die geplante Verfassungsänderung nicht fallen gelassen wird. „Dieser Text wird sein parlamentarisches Leben leben, das es nur dann ermöglicht, ein Referendum durchzuführen, wenn sich Senatoren und Abgeordnete einigen“, sagte er.
Die geplante Verfassungsänderung hätte ohnehin bestenfalls Symbolcharakter, urteilt die auf Umweltrecht spezialisierte Juristin Laure Nguyen von der Anwaltskanzlei Hogan Lovells. Sollte sie kommen, verhelfe sie der Regierung zu dem Image, sich sehr für den Umweltschutz einzusetzen. Das Prinzip des Umweltschutzes nehme jedoch bereits jetzt den höchsten Platz in der Normenhierarchie ein, sagt sie. „Es steht in der Umwelt-Charta, die fester Bestandteil des Verfassungsblocks ist, weshalb es nichts Wesentliches ändern würde, die Umweltbelange in den Artikel 1 der Verfassung nach oben zu ziehen.“
Sollten sich Senat und Nationalversammlung doch noch auf einen gemeinsamen Entwurf einigen können, könnte in Frankreich das erste Referendum seit 2005 stattfinden. Damals stimmte eine Mehrheit gegen die EU-Verfassung.