Kreditvergabe kommt nicht in Schwung
Kreditvergabe kommt nicht in Schwung
Breit gefasste Geldmenge M3 steigt weiter – Implikationen für die Geldpolitik umstritten
Eine Erholung der Kreditvergabe im Euroraum ist weiter nicht in Sicht. Banken reichten im Mai 0,3% mehr Darlehen an Unternehmen aus als vor einem Jahr. Der Zuwachs ist nur geringfügig größer als im April, als er 0,2% betrug. Dies geht aus Daten der Europäischen Zentralbank (EZB) vom Donnerstag hervor. Auch die Verbraucher halten sich bei Krediten zurück. Hier lag die Zuwachsrate im Mai ebenfalls bei 0,3% nach 0,2% im April.
Die Zahlen für Mai bilden den Zeitraum vor Beginn der Zinswende ab. Die EZB hatte im Juni die Leitzinsen jeweils um 25 Basispunkte gesenkt. Da dieser Schritt jedoch an den Kapitalmärkten fest eingepreist war – an der faktischen Vorabfestlegung der EZB auf die Zinssenkung im Juni entzündete sich deutliche Kritik – dürften die Auswirkungen des Zinsschritts auf die Daten für Juni begrenzt sein. Erwarten Finanzmarktteilnehmer eine Lockerung oder Straffung der Geldpolitik, passen sich die Konditionen bereits vor einer erfolgten Zinsänderung der Zentralbank an. Zudem dürfte die schwache Kreditvergabe nicht nur an den Zinssätzen liegen, sondern auch an einer mauen Konjunktur und Standortsorgen in Europa.
Die Kreditvergabedaten der EZB sprechen insgesamt nicht dafür, dass die Investitionen der Unternehmen derzeit anziehen dürften, ebenso wenig wie kreditfinanzierter Konsum oder Investitionen der privaten Haushalte. Ökonomen hoffen, dass eine Erholung des privaten Konsums das Wirtschaftswachstum in der zweiten Jahreshälfte ankurbeln wird. Einen Rückschlag für dieses Szenario meldete am Mittwoch das Marktforschungsinstitut GfK für die größte Volkswirtschaft der Eurozone – Deutschland. Nach einem viermonatigen Aufwärtstrend prognostiziert das GfK für Juli einen Rückgang des Konsumklimas.
Kontroverse Debatte
Am Donnerstag vermeldete die EZB zudem neue Daten zur Entwicklung der Geldmenge in der Währungszone. Die eng gefasste Geldmenge M1, die aus Bargeldumlauf plus Sichteinlagen der Nichtbanken besteht, schrumpfte im Mai im Jahresvergleich um 4,9%. Das ist deutlich weniger als im Vormonat. Im April hatte es einen Rückgang um 5,9% gegeben. M1 werten Ökonomen als einen guten Indikator für die Entwicklung der Konjunktur. Je höher diese Geldmenge ist, desto mehr Liquidität ist für Ausgaben vorhanden.
Weit kontroverser debattieren Volkswirte und Notenbanker über die Bedeutung der breiter gefassten Geldmenge M3. Diese beinhaltet Bargeld, Einlagen auf Girokonten sowie Geldmarktpapiere und Schuldverschreibungen. M3 legte den Daten der EZB zufolge im Mai um 1,6%, zu, nach 1,3% im April.
Umstritten ist unter Ökonomen, wie eng der Zusammenhang zwischen der Geldmenge M3 und der Inflation ist. Laut einer im Mai veröffentlichten empirischen Untersuchung des EZB-Ökonomen Alexander Jung war der Zusammenhang zwischen 1945 und 1985 am größten. Dies deckt sich mit anderen Studien. In einer Studie der Bank für Internationalen Zahlungsverkehr (BIZ) heißt es, dass die Verbindung zwischen M3 und Inflation umso größer ist, desto höher die Teuerung ist.
Sollte die EZB daher jetzt, da die Inflation im Euroraum wieder deutlich niedriger ist, der Geldmenge wenig Beachtung schenken? Nein, findet EZB-Direktorin Isabel Schnabel. Der Anstieg von M3 sei ein frühes Warnsignal dafür, dass die Inflationsrate nicht von allein wieder auf den Zielwert fallen werde, sagte sie vergangenes Jahr. Zudem deutet vieles darauf hin, dass die Entwicklung der Geldmenge für die Analyse der Finanzstabilität wichtig ist. Schon allein aus diesem Grund wird die EZB die Geldmenge im Blick behalten.
Die Banken im Euroraum halten sich bei der Vergabe von Krediten an Unternehmen und Privatpersonen zurück. Dies spricht gegen einen größeren konjunkturellen Aufschwung in den kommenden Monaten. Derweil legt die Geldmenge M3 weiter zu. Was das konkret für die Geldpolitik bedeutet, ist unter Ökonomen umstritten.