EZB

Lagardes Kostüme

Es gibt viele gute Argumente für einen entschlosseneren Ausstieg der EZB aus der Anti-Corona-Geldpolitik und für eine grundsätzlich andere, demütigere EZB-Politik. Die Modevorlieben von EZB-Präsidentin Christine Lagarde sind aber keine.

Lagardes Kostüme

Man muss die aktuelle Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) nicht gut finden. Man darf auch seine liebe Müh haben mit der derzeitigen (Inflations-)Kommunikation der EZB-Granden. Und man kann oh­ne Frage Kritik an EZB-Präsidentin Christine Lagarde üben. Wenn die „Bild“-Zeitung nun aber wegen Lagardes Vorliebe für Chanel-Mode gegen „Luxus-Lagarde“ und „Madame Inflation“ wettert, der „die Sorgen der normalen Leute offenbar egal“ seien, ist das reichlich daneben – und dient niemandem!

Zur Geldpolitik: So richtig vieles war, was die EZB in der Corona-Pandemie getan hat, so falsch ist inzwischen das sture Festhalten am absoluten Krisenmodus – zumal in Zeiten einer unerwartet stark steigenden Inflation. Zur Kommunikation: Auch wenn Lagarde nach der letzten Sitzung die Teuerung als „Sorge“ für die Bürger bezeichnet hat, ist der Eindruck, dass viele Euro-Hüter Inflationsängste nicht wirklich ernst nehmen – was bedenklich wie gefährlich ist. Und zu Lagarde: Auch nach jetzt exakt zwei Jahren wirkt sie noch nicht richtig im Amt angekommen, scheint sie weiter mehr interessiert an Klimawandel und Gleichberechtigung als an der Geldpolitik.

Persönliche Attacken und letztlich nationalistische Töne sind aber fehl am Platz. Und sie wecken ungute Erinnerungen an Kampagnen gegen Ex-EZB-Chef Ma­­rio Draghi, den deutsche Me­dien wiederholt als „Graf Draghila“ abbildeten, der „die Sparer aussaugt“. So etwas hilft sicher nicht, Differenzen zwischen den geldpolitischen Vorstellungen der Mehrheit der Euro-Hüter und den deutschen Befindlichkeiten abzubauen oder den deutschen Interessen Geltung zu verschaffen. Im Gegenteil: Sie vergiften das Klima und tragen im Zweifelsfall nur dazu bei, dass es die deutschen Vertreter im EZB-Rat noch schwerer ha­ben. Die deutsche Politik darf sich deswegen auch nicht anstecken lassen von den Boulevardattacken.

Was es stattdessen braucht, ist die harte inhaltliche Kontroverse. Natürlich ist die ultralockere Geldpolitik der EZB zum Beispiel ein Riesenproblem speziell für die Altersvorsorge. Sie birgt zudem enorme Risiken für die Finanzstabilität. Auch die Inflation ist keineswegs tot und kann schnell wieder zum Dauerproblem werden, wenn die EZB notfalls nicht gegensteuert. Und mit der immer weiteren Dehnung des EZB-Mandats und der zu großen Nähe zur Fiskalpolitik rütteln auch die Euro-Geldpolitiker selbst mitunter munter am Euro-Fundament. Es gibt also viele gute Argumente für einen entschlosseneren Ausstieg aus der Anti-Corona-Geldpolitik und für eine grundsätzlich andere, de­mütigere EZB-Politik. Lagardes Kostüme sind keine.