Bericht des Europäischen Rechnungshofs

Leckagen beim Schutz der EU-Gasversorgung

EU-Prüfer werfen der Brüsseler Kommission vor, sich zu wenig um die Sicherung der Gasversorgung zu kümmern. Fehlende Solidarität der Mitglieder untereinander und eine neue Abhängigkeit von LNG wird kritisiert.

Leckagen beim Schutz der EU-Gasversorgung

Leckagen beim Schutz der EU-Gasversorgung

Europäischer Rechnungshof hält bisherige Bemühungen der EU-Kommission für unzureichend – Handelsplattform optimieren

lz Frankfurt

Der Europäische Rechnungshof (EuRH) hat der EU-Kommission wegen ihrer Rolle während der Gaskrise die Leviten gelesen. In einem Bericht über die Sicherheit der Gasversorgung wirft er den Brüsseler Akteuren vor, sich in den Jahren davor zu wenig um eine potenzielle Versorgungskrise gekümmert zu haben, obwohl die Abhängigkeiten der Volkswirtschaften vom russischen Gas über Jahre zugenommen hätten. Die Wirkung der 2022 dann eingeleiteten Sofortmaßnahmen sei schwach gewesen und oft nicht nachzuweisen. Die notwendige Solidarität unter den Mitgliedsländern sei nicht durchgesetzt worden. Es fehle weiter an einer funktionierenden EU-Versorgungsarchitektur insgesamt. Und nach wie vor mangele es an einem Plan für künftige Krisen, zumal die Abhängigkeit von Russland inzwischen gegen eine Abhängigkeit von meist amerikanischem Flüssiggas (LNG) eingetauscht worden sei.

Es gebe „immer noch Lecks“ in der Sicherheitsarchitektur für die Gasversorgung, fasst der zuständige Sektorchef des EuRH, João Leão, den Bericht zusammen. Die EU-Kommission forderte er auf, mehr Solidarität der Mitgliedstaaten untereinander einzufordern und besser zu koordinieren. Sie müsse den Rahmen verbessern, um erschwingliches Gas garantieren zu können, die Berichterstattung der Mitgliedstaaten über ihre Versorgungssicherheit müsse verbessert und Transparenz über die geförderten Infrastrukturprojekte für Gas, Strom und Wasserstoff hergestellt werden.

LNG-Abhängigkeit

Unmittelbar vor dem Einmarsch Russlands in die Ukraine im Jahr 2022 entfiel etwa ein Viertel des Bruttoenergieverbrauchs in der EU auf Gas. 45% der Lieferungen stammten dabei aus Russland. Nach den Lieferstopps erreichten die Großhandelspreise für Gas dann im August einen Spitzenwert von 339 Euro pro Megawattstunde (2021: 51 Euro). Da die EU weiterhin mehr als drei Viertel ihres Gasbedarfs importiert, ist die Versorgungssicherheit nach Ansicht des EuRH weiter von entscheidender Bedeutung. Zumal es auch in jüngster Zeit zu Versorgungsstörungen kam wie beim Streik der LNG-Arbeiter in Australien oder bei der Abschaltung der norwegischen Gasverarbeitungsanlage.

Und auch für die Zukunft müsse vorgesorgt werden, weil zwar erneuerbare Energien immer mehr Erzeugungsanteile übernehmen, aber das Kohlendioxid des Gases wegen der EU-Klimaziele eingelagert (Dekarbonisierung) werden müsse. Die Fortschritte auf diesem Gebiet hält er für „unzureichend“. Bis 2050 müssten rein rechnerisch 450 Mill. Tonnen CO2 „dekarbonisiert“ werden, um die Ziele zu erreichen; aktuell schafften es die vier kommerziellen Projekte aber auf allenfalls 1,5 Mill. Tonnen.

Handelsplattform konsolidieren

Skeptisch zeigte sich Leão auch im Hinblick auf den alternativen Kanal für den Gashandel, der gemeinsame Einkäufe möglich machen und damit Druck auf die Preise erzeugen soll. Es sei aber nicht feststellbar, ob die EU-Plattform „Aggregate EU“ im Vergleich zu bestehenden Plattformen tatsächlich einen Mehrwert erbracht habe. Die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde habe zudem davor gewarnt, dass sich der Gashandel dann womöglich außerhalb der EU verlagern könne, wenn sich die Preise der EU-Obergrenze näherten. Das könne obendrein das Funktionieren des Marktes beeinträchtigen.

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