Lindner dämpft Hoffnung auf komplette Staatshilfe
wf Berlin – Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) hat angesichts der hohen Preissteigerungsrate vor überzogenen Erwartungen an den Staat gewarnt. „Wir können nicht jede Herausforderung mit staatlichen Mitteln abfedern“, sagte Lindner in der Debatte zum Bundeshaushalt 2023 im Bundestag. Die Bundesregierung könne soziale Härten verhindern und wirtschaftliche Strukturumbrüche abwenden, aber sie müsse realistisch sein und dürfe keine falschen Hoffnungen wecken. „Aber eine Zusage kann diese Bundesregierung geben – das politische Versprechen: Aufgrund von finanziellen Sorgen wird in diesem Land in diesem Winter niemand frieren und niemand hungern.“
Die ökonomische Lage bezeichnete Lindner als „außerordentlich herausfordernd“. Die Entscheidung der EZB zu einem „starken Zinsschritt“ wertete er als Zeichen, dass alle sich der Herausforderung stellen müssten, die Inflation zu bekämpfen. „Inflation ist das Verarmungsprogramm für die Familien in der Mitte der Gesellschaft“, rief der Minister den Abgeordneten zu. Inflation führe dazu, dass unternehmerische Risiken gescheut und Investitionen unterlassen werden. Deshalb sei es erste Priorität, die Inflation zu bekämpfen, denn sie würde sonst hierzulande das wirtschaftliche Fundament unterspülen.
Die finanzielle Wirkung des von der Ampel-Koalition am vergangenen Wochenende politisch verabredeten Entlastungspakets summiert sich Lindner zufolge auf schätzungsweise 65 Mrd. Euro. Sie stammten nicht nur aus dem Bundeshaushalt 2023, sondern speisten sich auch aus anderen Vorhaben. Schon in diesem Jahr wolle die Ampel-Regierung Rentnern und Studierenden eine Heizkostenpauschale von 300 Euro bzw. 200 Euro zahlen. Dies machten die vorsichtige Haushaltsführung und die gute Entwicklung der Steuereinnahmen möglich. Mit Blick auf die angekündigten Hilfen für die Wirtschaft sagte der Minister: „Es werden präzise Maßnahmen sein, keine, die vergleichbar sind mit der Corona-Pandemie.“ Aktuell gebe es ein Angebots- und kein Nachfrageproblem. Vorgesehen sei zudem, Ursachen von steigenden Preisen anzugehen, etwa mit der geplanten Strompreisbremse.
Laut Finanztableau des Bundesfinanzministeriums addieren sich die Entlastungen in diesem Jahr auf knapp 13 Mrd. Euro, die fast ausschließlich auf den Bund entfallen. Für 2023 umfasst das geplante Entlastungsvolumen 42,5 Mrd. Euro, von denen der Bund 24,6 Mrd. Euro schultern würde (siehe Tabelle). Lindner betonte, dass die Schuldenbremse 2023 wieder eingehalten werde. Dies sei in der Koalition mit dem Entlastungsbeschluss erneut bekräftigt worden. Lindner bezeichnete es als große Herausforderung für die anstehenden Haushaltsberatungen. 2023 will der Bund bei einer Neuverschuldung von 17,2 Mrd. Euro rund 445 Mrd. Euro ausgeben.
Mit den Bundesländern stehen der Bundesregierung harte Verhandlungen bevor. Steuerrechtsänderungen muss der Bundesrat zustimmen. Bei den Gemeinschaftssteuern treffen die Ausfälle auch Länder und Kommunen. Hendrik Wüst, Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, droht der Bundesregierung mit einem Vermittlungsverfahren, falls es nicht noch Änderungen gibt. „Hier geht es für die Länder ans Eingemachte“, sagte Wüst, derzeit Vorsitzender der Ministerpräsidentenkonferenz, laut dpa-afx. Es sei nicht in Ordnung, dass mehr als 30 Mrd. Euro des Entlastungspakets steuerfinanziert seien und automatisch davon ausgegangen werde, dass die Länder mitmachten, kritisierte Wüst.
Finanzielle Wirkungen des dritten Entlastungspakets | ||||
2022 | 2023 | |||
in Mill. Euro | Gesamt | Bund | Gesamt | Bund |
CO2-Einsparung Verkehr 500 Mill. Euro Etat Bundesverkehrsministerium | 500 | 500 | ||
Energiepreispauschale: Einmalzahlung für Rentner von 300 Euro | 6 000 | 6 000 | ||
Energiepreispauschale: Einmalzahlung für Versorgungsempfänger des Bundes | 183 | 183 | ||
Einmalzahlung Studierende von 200 Euro | 700 | 700 | ||
Wohngeldreform, Ausweitung Empfängerkreis plus Klima- und Heizkostenkomponente | 4 000 | 2 000 | ||
Heizkostenzuschuss II: Einmalzahlung von 415 Euro für Ein-Personen-Haushalt, 540 Euro für Zwei-Personen-Haushalt, 100 Euro für jede weitere Person | 700 | 700 | ||
Bürgergeld laut Gesetzentwurf des Bundessozialministeriums | 649 | 455 | ||
Bürgergeld Regelsatz | 3 000 | 3 000 | ||
Anhebung Midi-Job auf 2 000 Euro | 1 300 | 1 300 | ||
Inflationsausgleich „kalte Progression“ ohne zusätzliche Kindergelderhöhung | 10 120 | 4 410 | ||
Zusätzliche Anhebung Kindergeld um 10 Euro (Steigerung insg. 18 Euro) | 2 090 | 888 | ||
Anhebung Kinderzuschlag auf 250 Euro | 200 | 200 | ||
Inflationsprämie (einmalig) von 3 000 Euro bei 5 Mill. Begünstigten | 1 200 | 350 | ||
Energiekostendämpfungsprogramm zur Entlastung von besonders energie- und handelsintensiven Unternehmen | 2 000 | 2 000 | 1 000 | 1 000 |
Restmittel im Sonderfonds des Bundes für Kulturveranstaltungen des Bundes | 1 000 | 1 000 | ||
Spitzenausgleich Industrie | 1 680 | 1 680 | ||
Follow-up „9-Euro-Ticket“ in der Spanne von 49 bis 69 Euro | 3 000 | 1 500 | ||
Verlängerung Kurzarbeitergeld | 100 | 100 | 40 | 40 |
Verlängerte Umsatzsteuersenkung für die Gastronomie | 2 845 | 1 502 | ||
Globale Ernährungssicherheit (Haushaltsvorbehalt) | 1 000 | 1 000 | ||
Abschaffung der sog. Doppelbesteuerung von Renten (im Jahressteuergesetz 2022) | 2 935 | 1 279 | ||
Umsatzsteuerreduzierung Gas auf 7 % | 1 995 | 1 054 | 6 470 | 3 417 |
Homeoffice-Pauschale | 785 | 337 | ||
kumuliert | 12 978 | 12 037 | 42 514 | 24 558 |
In diesen Zahlen sind noch nicht die Finanzwirkungen enthalten aus der Verschiebung der Preiserhöhung beim CO2-Preis, der vereinbarten Strompreisbremse sowie der Dämpfung der steigenden Netzentgelte.Nach überschlägigen Schätzungen des BMF ergibt sich hieraus eine Finanzwirkung von über 10 Mrd. Euro.Börsen-Zeitung |