Mehr Klauen und Zähne
Die Wettbewerbshüter haben gut zu tun. Neben dem Dauerbrenner Digitalkonzerne, deren Marktmacht nur mit Mühe im Zaum gehalten werden kann, schlagen die multiplen Krisen direkt auf die Arbeit des Bundeskartellamts durch. Nach der Pandemie, die das Wirken vor allem gegen Kartellverstöße schwer gemacht hat, führen jetzt Inflation und Kriegsfolgen zu vielen grundsätzlichen Fragen: Sind teilweise explosionsartig steigende Preise gerechtfertigt oder Marktmissbrauch? Dürfen Unternehmen zur Existenzsicherung in außergewöhnlichen Zeiten stärker zusammenarbeiten als unter normalen Umständen?
Die Arbeit der Wettbewerbshüter ist noch politischer geworden als sie das ohnehin schon immer war. Kartellamtspräsident Andreas Mundt spricht vom Wettbewerbsrecht als „atmendem Recht“. Auf der einen Seite zeigen sich die Wettbewerbshüter in der Krise großzügiger, was die Zusammenarbeit von Unternehmen angeht. Wer Produktionen zusammenlegen will, weil Gas knapp ist, und dafür viele Daten und Informationen austauschen will, trifft beim Kartellamt derzeit auf einige Toleranz.
Auf der anderen Seite braucht das Kartellamt effektive Durchgriffsrechte. In Zeiten, in denen Politik in Marktgeschehnisse viel stärker eingreifen muss als im „Normalzustand“ der Welt, muss auch mehr Kontrolle und nachgeschaltet Sanktionierung ermöglicht werden. Denn die schwarzen Schafe sind auch in der Krise höchst aktiv. Die Novelle des Wettbewerbsrechts, die jetzt schneller kommen soll als ursprünglich geplant, ist also dringend geboten. Mit „Klauen und Zähnen“ solle das Kartellrecht ausgestattet werden, hatte Wirtschaftsminister Robert Habeck vor einigen Wochen angekündigt.
Ein wichtiges Thema der Novelle soll eine erleichterte Gewinnabschöpfung werden. Denn bei marktmissbräuchlichem Verhalten ist es derzeit sehr schwer für die Wettbewerbshüter, die erzielten Erträge daraus einzuziehen. Mundt hat dieses Instrument seiner Behörde am Dienstag klar gegen die politisch diskutierte Übergewinnsteuer abgegrenzt. Eine Steuer sei eine Steuer, deren Rahmenbedingungen politisch festgelegt werden müssten. Beides könne durchaus parallel laufen, erläuterte Mundt. Instrumentalisieren lassen will sich das Kartellamt erkennbar nicht. Niemand sollte auf die Idee kommen, sich vor der politischen Diskussion um eine Übergewinnsteuer mit Verweis auf die Möglichkeit der Gewinnabschöpfung durch das Kartellamt wegducken zu können. Beides sind verschiedene Paar Schuhe.