Nagel betont Unabhängigkeit der EZB
Nagel betont Unabhängigkeit der EZB
Notenbank richtet Geldpolitik laut Bundesbankpräsident nicht an der Fed aus
mpi Frankfurt
Sollte die Fed vor der Sommerpause auf eine Zinssenkung verzichten, ist dies für Bundesbankpräsident Joachim Nagel kein Grund, eine Lockerung der Geldpolitik im Euroraum zu verschieben. „Wir müssen unseren Job erledigen und das Inflationsziel erreichen“, sagte Nagel am Freitag auf einer Veranstaltung von MNI gegenüber Journalisten. „Und der beste Weg, um dies zu erreichen, ist, unabhängig zu agieren.“
Er beobachte zwar intensiv die Geldpolitik der anderen Notenbanken, um zu schauen, weshalb sie agieren, wie sie agieren, doch seien für seine eigenen geldpolitischen Entscheidungen die Inflations- und Konjunkturdaten für den Euroraum entscheidend. Die Lage in den USA, Japan oder der Schweiz sei eine andere als in der Eurozone. Während die Fed auf eine längere Zinspause zusteuert, hat die Schweiz am Donnerstag als erstes Industrieland den Leitzins gesenkt und die Bank of Japan (BoJ) zwei Tage zuvor eine Zinserhöhung beschlossen.
Debatte um Lockerung der Geldpolitik
Die Wahrscheinlichkeit einer Zinssenkung der Europäischen Zentralbank (EZB) vor der Sommerpause im Juli ist für Nagel gestiegen. Einer Lockerung bereits im April erteilte er mehr oder weniger eine Absage. „Wir werden dies im April diskutieren“, sagte der Bundesbankpräsident. „Es sieht so aus, als ob das Bild im April noch nicht ausreichen wird, um die Zinsen zu senken.“
Nach einer ersten Zinssenkung ist für Nagel die weitere Geldpolitik offen. „Ich sehe nicht, dass es eine Art Automatismus gibt.“ Man werde auch dann weiter datenabhängig von Sitzung zu Sitzung entscheiden. Damit liegt Nagel auf einer Linie mit EZB-Präsidentin Christine Lagarde, die auf der Veranstaltung „The ECB and its Watchers“ in Frankfurt Ähnliches gesagt hatte. Doch es gibt auch andere Stimmen im EZB-Rat. So spricht sich der griechische Notenbankpräsident Giannis Stournaras öffentlich für zwei Zinssenkungen bis zur Sommerpause aus.
Mehrere Inflationsrisiken
Nagel ist optimistisch, dass sich die Inflation im Euroraum weiter abschwächt. „Es sieht so aus, dass wir unser 2-Prozent-Ziel bis 2025 erreichen.“ Die EZB müsse jedoch wachsam bleiben, da es mehrere Aufwärtsrisiken für die Inflation gebe. Zu diesen zählt er die Energiepreise, die Lohnentwicklung und die Profitmargen der Unternehmen. „Ich schaue mir jeden Tag die Energiepreise an, hier gibt es weiterhin eine hohe Volatilität“, sagte Nagel.
Einen genauen Blick hat er auch auf die Inflation im Dienstleistungsbereich. Diese ist mit einer Jahresrate von zuletzt 3,9% besonders hoch. Die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) kommt in einer kürzlich veröffentlichten Studie zu dem Schluss, dass die Teuerung bei Dienstleistungen hartnäckiger ist als bei Waren. Das Ergebnis hält Nagel für schlüssig.
Holzmann trommelt weiter für höhere Mindestreserve
Mit Blick auf das überarbeitete Rahmenwerk der EZB sagte Nagel, dass es zu früh sei, um Aussagen über die Größe und Zusammensetzung des angekündigten strukturellen Anleiheportfolios zu treffen. Man werde erst beobachten, wie der Finanzmarkt auf das neue Regelwerk insgesamt reagiere. Eine Abkehr vom System der Überschussliquidität werde es wohl nicht mehr geben. Dazu seien die Strukturen am Finanzmarkt zu unterschiedlich im Vergleich zur Zeit vor der Finanzkrise.
Eine Erhöhung der derzeit unverzinsten Mindestreserve für Banken hatte die EZB nicht beschlossen. Als prominenter Befürworter dieses Schritts gilt der österreichische Notenbankpräsident Robert Holzmann. Eine Mehrheit für dieses Vorhaben konnte er im EZB-Rat nicht gewinnen. Er habe jedoch noch nicht aufgegeben und arbeite daran, Stimmen im EZB-Rat dafür zu gewinnen, sagte Holzmann am Freitag bei der Vorlage der Geschäftszahlen der österreichischen Notenbank. Die EZB könnte auch bei einer ihrer kommenden Sitzungen noch die Mindestreserve erhöhen. Nagel äußerte sich am Freitag nicht zu dem Thema. Bei früheren öffentlichen Auftritten hatte er jedoch gesagt, dass er sich eine leichte Anhebung vorstellen kann. Aktuell liegt die Mindestreserve bei 1%.
Für Deutschland erwartet Nagel ab der zweiten Jahreshälfte eine leichte Erholung der Konjunktur. Die stark steigenden Löhne sollten den Konsum ankurbeln. Außerdem könnte sich die Auslandsnachfrage nach deutsche Gütern in den kommenden Monaten erhöhen.