Geldpolitik

Nagel bremst bei neuen EZB-Anleihe­käufen

Parallel zur avisierten Zinswende arbeitet die EZB an einem neuen Instrument gegen als ungerechtfertigt angesehene Zinsunterschiede zwischen den Euro-Ländern. Bundesbankchef Joachim Nagel ist da durchaus skeptisch.

Nagel bremst bei neuen EZB-Anleihe­käufen

ms Frankfurt

Bundesbankpräsident Joachim Nagel hat sich sehr kritisch und warnend zu neuen EZB-Anleihekäufen zur Unterstützung hoch verschuldeter Euro-Länder und zu ei­nem entsprechenden neuen EZB-In­strument geäußert. Solche Käufe sei­en nur in absoluten Ausnahmesituationen zu rechtfertigen und ein neues Programm brauche sehr enge Grenzen, sagte Nagel am Montag in einer Videobotschaft beim Euro Finance Summit. Die Europäische Zentralbank (EZB) müsse nun vor allem die zu ho­he Inflation bekämpfen (siehe nebenstehenden Text).

Angst vor neuer Euro-Krise

Die EZB hatte vor zwei Wochen nach einer kurzfristig angesetzten Krisensitzung wegen der zuvor stark gestiegenen Euro-Renditen und -Renditespreads angekündigt, „ein neues Anti-Fragmentierungsinstrument“ zu entwickeln. Sie will damit verhindern, dass die Anleiherenditen zu weit auseinanderlaufen und Staaten wie Italien in Finanzierungsschwierigkeiten geraten. Der Anstieg der Renditen und Spreads hatte Erinnerungen an die Euro-Schuldenkrise vor zehn Jahren geweckt. Kritiker sehen ein neues Instrument aber im Widerspruch zur Zinswende, die die EZB kurz vor der Krisensitzung in Aussicht gestellt hatte.

Nagels Aussagen dürften Spekulationen an den Finanzmärkten verstärken, dass die Hürde für einen Einsatz eines neuen Instruments hoch liegt. In einem ersten Schritt zur Eindämmung der Risikospreads setzt das Eurosystem aus EZB und den 19 nationalen Zentralbanken seit Freitag auf die Flexibilität bei den Reinvestitionen des Corona-Notfallanleihekaufprogramms PEPP. Ganz praktisch dürfte das zum Beispiel bedeuten, dass bei einer fällig werdenden Bundesanleihe das Geld neu in eine italienische Anleihe investiert wird.

Nagel sagte nun: „Dass mit der angekündigten Zinswende die Risikozuschläge auf Anleihen hoch verschuldeter Mitgliedstaaten gestiegen sind, ist ja durchaus plausibel.“ Wenn das risikofreie Zinsniveau steige, überprüften Marktteilnehmer ihren Risikoappetit. „Risikoprämien, die in der Niedrigzinsphase extrem zusammengestaucht waren, weiten sich wieder aus, und zwar bei einer Vielzahl von Vermögenswerten“, so Na­gel. „Es ist nun Aufgabe der Mitgliedstaaten, das Vertrauen in ihre künftige Finanzpolitik zu stärken.“ Vor dem Hintergrund bekräftigte er die Kritik der Bundesbank daran, dass bereits jetzt entschieden wurde, die EU-Fiskalregeln auch 2023 auszusetzen.

Laut Nagel wäre es „fatal, wenn die Regierungen davon ausgingen, dass am Ende schon das Eurosystem bereitsteht, günstige Finanzierungskonditionen für die Staaten abzusichern“. Explizit fügte er hinzu: „Entsprechend mahne ich auch zur Vorsicht, mit geldpolitischen Instrumenten Risikoprämien begrenzen zu wollen. Denn es ist in Echtzeit so gut wie unmöglich, sicher festzustellen, ob eine Spreadausweitung fundamental gerechtfertigt ist. Hier gerät man schnell in gefährliches Fahrwasser.“

„Für mich steht fest: Allenfalls in Ausnahmesituationen und unter eng gesteckten Voraussetzungen lassen sich ungewöhnliche geldpolitische Maßnahmen gegen Fragmentierung rechtfertigen. Es kann aus meiner Sicht also nur um ein klar eingegrenztes Instrument gehen“, so Nagel. Für einen Einsatz müsse dreierlei nachvollziehbar begründet werden: dass die Zinsabstände fundamental nicht gerechtfertigt sind; dass die geldpolitischen Signale in einzelnen Mitgliedstaaten nicht wie intendiert ankommen; und dass dadurch die Fähigkeit, Preisstabilität zu gewährleisten, eingeschränkt ist. In jedem Fall müssten die Käufe „zeitlich eng befristet“ sein.

Das neue Instrument müsse zudem drei Bedingungen erfüllen: Erstens dürfe es den geldpolitischen Kurs nicht verändern; gegebenenfalls müssten Käufe also „neutralisiert“ werden. Zweitens müsste es geldpolitisch begründet sein; Nagel erinnerte da an frühere Gerichtsverfahren zu EZB-Käufen. Und drittens sei „entscheidend, dass die Mitgliedstaaten weiterhin genügend Anreize haben, ihre Finanz- und Wirtschaftspolitik nachhaltig auszurichten und Schuldenstände zu verringern“. Nagel weiter: „Eine wirksame fiskalische Konditionalität ist hier unverzichtbar.“

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