Ökonomen wieder zuversichtlicher
Von Alexandra Baude, Frankfurt
Während in der Bevölkerung die Sorge vor einer vierten Coronawelle um sich greift und nicht nur hierzulande, sondern auch in den EU-Nachbarstaaten die Infektionszahlen wieder steigen, ficht dies die Wirtschaft nicht an. Aktuell sind eher Prognoseerhöhungen angesagt. Das zeigt sich auch am aktuellen Konjunkturtableau der Börsen-Zeitung und des Mannheimer Leibniz-Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW). Mit Blick auf die aktuellen, rund um den Globus zu beobachtenden Preissteigerungen scheinen die Auguren keine Nachjustierung für nötig zu halten. Sie werten die hohen Raten ebenso wie die Europäische Zentralbank als temporäres Phänomen. Auch wenn den jüngsten Umfragen zufolge Unternehmen und Dienstleister unter dem erhöhten Kostendruck leiden und diesen zunehmend weitergeben. Die deutschen Dienstleister etwa „erhöhten ihre Preise so explosionsartig, wie es in über zwanzig Jahren Datenerhebung nicht der Fall war“, kommentierte IHS-Markit-Experte Phil Smith zur Einkaufsmanagerumfrage vom Juli (vgl. BZ vom 6. Juli).
So steht die Medianprognose der Inflationsrate, die das ZEW für das Konjunkturtableau monatlich ermittelt, für das laufende Jahr unverändert bei 2,4% (siehe Tabelle). Für 2022 wurde sie leicht erhöht: Die Auguren erwarten nun eine Jahresteuerungsrate von 1,9%, im vorangegangenen Tableau waren es noch 1,7% (vgl. BZ vom 4. Juni). Aktuell liegt die Inflationsrate im Juni bei 2,3% nach 2,5% im Mai. Trotz der leicht höheren Prognose für das nächste Jahr blieben die Inflationsbefürchtungen „recht gering, und die aktuell vorliegende vergleichsweise hohe Preissteigerungsrate wird als ein kurzfristiges Phänomen betrachtet“, betonte denn auch ZEW-Experte Michael Schröder.
Ganz ähnlich sieht es für das Eurogebiet aus: Die für 2021 prognostizierte Inflationsrate von 1,8 (zuvor: 1,7)% stellt laut Schröder „bereits den oberen Wendepunkt dar“. Schon für 2022 solle „die Inflationsrate mit 1,4% auf das seit Jahren gewohnte niedrige Niveau zurückkehren“. Entsprechend werde keine geldpolitische Reaktion der EZB erwartet, und die Experten gingen weiter von einer sehr lockeren Geldpolitik aus. Selbst die Prognosen für die langfristigen Zinsen sollen 2022 im Jahresdurchschnitt kaum von 0% abweichen.
Hoffen auf Investitionen
Ebenso wie die EU-Kommission sind die Prognostiker für die weitere konjunkturelle Entwicklung hierzulande optimistischer geworden. Sie erwarten für das reale Bruttoinlandsprodukt (BIP) ein Plus von 3,5% – zuletzt waren es 3,3%. Die Voraussage für 2022 liegt nun bei +4,2%, nach +3,9%. Das liegt leicht unter den erst in der abgelaufenen Woche nachjustierten Erwartungen der EU-Kommission: Diese hat für 2021 ein Wachstum von 3,6 (zuvor: 3,4)% auf dem Zettel, 2022 sollen es dann 4,6 (4,1)% sein. Schröder führt die Prognoseerhöhung im Konjunkturtableau auf die Fortschritte bei der Pandemiebekämpfung zurück. Positive Impulse erwarten die Experten in diesem Jahr von den Exporten und den wieder anziehenden Anlageinvestitionen. Im nächsten Jahr soll das Wachstum hauptsächlich vom privaten Konsum und weiter von den Anlageinvestitionen der Unternehmen getragen werden. Ein ähnliches Bild zeigt sich für Euroland, wobei die Prognosen kaum verändert wurden: Als konjunkturelle Treiber werden für 2021 Anlageinvestitionen, Exporte sowie Staatskonsum angesehen. 2022 sollen es vor allem der private Konsum und die Anlageinvestitionen sein. Einen ersten Einblick in die Wirtschaftsentwicklung im Euroraum und deren größter Volkswirtschaft geben die Statistikämter Eurostat und Destatis am 30. Juli.
Gute Nachrichten erwartet Schröder sowohl für Deutschland als auch das Eurogebiet vom Jobmarkt. Die Arbeitslosenquote in Deutschland betrug im Juni nur noch 5,7% nach 5,9% im Monat zuvor. Für das Gesamtjahr liegt die Medianprognose bei 5,8%, das wäre ein ganz leichter Rückgang gegenüber 2020. 2022 soll sich der Rückgang der Arbeitslosenquote beschleunigt fortsetzen und diese im Jahresdurchschnitt auf einen Wert von 5,3% sinken.
Für das Eurogebiet sieht es Schröder zufolge nicht ganz so gut aus, „aber ein erkennbarer Rückgang bis Ende 2022 wird auch da prognostiziert“. Für 2021 wird nun eine Arbeitslosenquote von 8,2 (zuvor: 8,5)% erwartet, 2022 soll sie weiter auf 7,9% sinken.
Konjunkturtableau | ||||||||||
4. Quartal | 1. Quartal | Prognose 2021 | Prognose 2022 | |||||||
2019 | 2020 | 2020 | 2021 | Tief | Median | Hoch | Tief | Median | Hoch | |
Volkswirtschaftliche Daten | ||||||||||
Bruttoinlandsprodukt 1 | 0,6 | − 4,9 | 0,5 | − 1.8 | 2,7 | 3,5 | 4,6 | 3,0 | 4,2 | 5,2 |
Privatkonsum 1 | 1,6 | − 6,1 | − 2,3 | − 5,4 | − 0,3 | 0,9 | 2,8 | 4,2 | 7,0 | 8,9 |
Staatskonsum 1 | 2,5 | 3,3 | 0,1 | 0,2 | 0,5 | 2,1 | 3,6 | − 1,8 | 0,0 | 1,3 |
Anlageinvestitionen 1 | 2,5 | − 3,1 | 2,5 | 0,3 | 0,6 | 3,5 | 9,7 | 1,0 | 4,4 | 6,6 |
Exporte 1 | 0,9 | − 9,4 | 4,4 | 1,8 | 5,1 | 10,7 | 15,6 | 2,5 | 5,8 | 8,0 |
Importe 1 | 1,9 | − 8,5 | 3,3 | 3,8 | − 2,9 | 9,1 | 12,0 | − 3,6 | 7,1 | 9,2 |
Letzter Wert | ||||||||||
Verbraucherpreise 2 | 1,4 | 0,5 | * 2,3 (Juni) | 2,0 | 2,4 | 2,6 | 0,8 | 1,9 | 2,2 | |
Arbeitslosenquote 3 | 5,0 | 5,9 | 5,7 (Juni) | 5,7 | 5,8 | 6,0 | 5,2 | 5,3 | 5,8 | |
Zinsen und Zinsdifferenzen | In 3 Monaten | In 12 Monaten | ||||||||
3-Monats-Geld 3 | − 0,36 | − 0,43 | − 0,54 | − 0,6 | − 0,5 | − 0,5 | − 0,6 | − 0,5 | − 0,4 | |
10-jährige Anleihen 3 | − 0,14 | − 0,57 | − 0,26 | − 0,5 | − 0,1 | 0,0 | − 0,5 | 0,0 | 0,3 | |
USA/Eurozone, langfristig 3, 4 | 205 | 151 | 164 | 170 | 186 | 200 | 140 | 190 | 209 | |
USA/Eurozone, kurzfristig 3, 4 | 269 | 107 | 67 | 63 | 72 | 80 | 63 | 73 | 80 | |
Eurozone lang/kurz 3, 4 | 22 | 14 | 28 | 5 | 42 | 50 | 5 | 50 | 77 | |
Redaktionsschluss: 7. Juli; Tagesdaten vom 6. Juli*) real gegen Vorjahr bzw. Vorquartal in %; 2) gegen Vorjahr in %; 3) Werte für 2019 und 2020 sind Jahresdurchschnitte. Letzter Wert der Zinsen und Zinsdifferenzen sind Stände vom Vortag; 4) in Basispunkten; *Schätzung |