Klimaschutz

Regierung bessert Klimaziele nach

Die Bundesregierung will in der nächsten Woche ehrgeizigere Klimaziele auf den Weg bringen. Damit reagiert Berlin auf ein Urteil des Verfassungsgerichts in Karlsruhe. Neue Vorgaben aus Brüssel hätten eine Verschärfung der Ziele aber ohnehin erforderlich gemacht. Kernpunkte der Gesetzesreform sind noch offen.

Regierung bessert Klimaziele nach

Die Bundesregierung will ihre Klimaziele nach einem Urteil des Verfassungsgerichts und in Erwartung neuer Vorgaben der Europäischen Union (EU) noch vor der Sommerpause nachbessern. Das haben Finanzminister Olaf Scholz und Umweltministerin Svenja Schulze (beide SPD) nach Beratungen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) angekündigt. Demnach peilt die Regierung an, nicht nur den Ausstoß von Treibhausgasen bis 2030 gegenüber 1990 stärker zu reduzieren, sondern auch das bislang 2050 angepeilte Ziel der Klimaneutralität früher zu erreichen. Außerdem wird für 2040 ein Zwischenziel vereinbart, das bisher fehlte (siehe Grafik).

„Das wird jetzt klappen, in der von uns gewünschten und gewollten Geschwindigkeit“, sagte Scholz vor dem Hintergrund der laufenden Beratungen zuversichtlich. Das Gesetzesvorhaben sei ehrgeizig, aber machbar. „Das ist ein faires Angebot auch an die jüngeren Generationen“, sagte Schulze mit Blick auf das Verfassungsgerichtsurteil, das die ungleiche Verteilung der Lasten für den Klimaschutz zwischen den Generationen gerügt hatte. Auch Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) zeigte sich optimistisch für eine Einigung im Kabinett nächste Woche. „Ich weiß aber, dass die Gespräche im Detail noch schwierig sein werden“, sagte er.

Kontrovers dürften die Gespräche vor allem mit Blick auf die Vorgaben für einzelne Sektoren wie Verkehr, Energie oder Gebäude werden, die Schulze bis nächste Woche herunterbrechen will. Im Ende 2019 verabschiedeten Klimaschutzgesetz wurden jedem Sektor bis 2030 jährliche CO2-Höchstgrenzen vorgegeben. Schulze sagte, sie werde diese Grenzen im Lichte der neuen Ziele nicht gleichmäßig über alle Sektoren hinweg anpassen. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass beispielsweise der Energiesektor womöglich einen größeren Beitrag zu den neuen Vorgaben leisten muss als der Gebäudesektor. Das dürfte sowohl in der Regierung als auch im Parlament zu hitzigen Diskussionen führen.

„Durch die Verschärfung des EU-Klimaschutzziels von 40% auf 55% Reduktion der Treibhausgase bis 2030 relativ zu 1990 war eine Verschärfung der deutschen Klimaschutzziele dringend geboten“, sagte Elmar Kriegler, Leiter der Forschungsabteilung Transformationspfade am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) zu den neuen Klimazielen der Bundesregierung. Eine Reduktion um 65% bis 2030 sei das Minimum, um im innereuropäischen Diskurs eine Vorreiterrolle innehalten zu können.

In den ersten Reaktionen überwog aber die Kritik. Es stelle sich die Frage, ob der Vorschlag der Bundesregierung „schon Wahlkampf ist, oder doch purer Aktionismus in Folge eines Urteils des Bundesverfassungsgerichts“, sagte Thilo Brodtmann, Hauptgeschäftsführer beim Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA). Die Umweltorganisation Greenpeace kritisierte, dass Deutschland sein „Restbudget“ an CO2-Emissionen unter dem neuen Ziel bis 2030 zu 85% ausschöpfen würde. „Danach wären so drastische Maßnahmen notwendig, dass sie die Freiheitsrechte der jungen Generation erheblich verletzten“, so Klimaexpertin Lisa Göldner. Grünen-Vize-Fraktionschef Oliver Krischer sprach von einem Anfang, mahnte aber konkrete Maßnahmen an. „Das ist das alte Spiel der Bundesregierung: Neue Zielmarken aufstellen, ohne zu sagen, wie man da hinkommt.“

In der Koalition gibt es dazu unterschiedliche Auffassungen mit Blick auf den Ausbau der erneuerbaren Energien und die Rolle des CO2-Preises. Nach Einschätzung von PIK-Forscher Kriegler geht es dabei nicht um ein Entweder-oder: „Dies beinhaltet eine abgestimmte Anschärfung der CO2-Preise sowohl im europäischen Emissionshandelssystem als auch national für Verkehr und Gebäude. Außerdem sind ergänzende Maßnahmen nötig, die die Markteinführung emissionsarmer Technologien beschleunigen und somit die Wirksamkeit der CO2-Preise erhöhen.“

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