Rezession ist auf nächstes Quartal verschoben
ba Frankfurt
Nach den teils überraschend positiv ausgefallenen Daten der drei Euro-Schwergewichte Deutschland, Frankreich und Spanien, dürfte die Wirtschaft im gesamten Euroraum im dritten Quartal zumindest stagnieren. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) ist den Angaben der nationalen Statistikämter zufolge in Deutschland um 0,3% zum Vorquartal gestiegen, für Frankreich und Spanien steht jeweils ein Plus von 0,2% zu Buche. Die hiesige Wirtschaft hat laut Destatis damit erstmals wieder das Vorkrisenniveau gemessen am Schlussabschnitt 2019 überschritten – und zwar um 0,2%.
Ökonomen gilt die Rezession – sowohl im Euroraum als auch in dessen größter Volkswirtschaft – damit allerdings nur als verschoben. Die jüngsten Indikatoren für die deutsche Wirtschaft wie das Ifo-Geschäftsklima, der Einkaufsmanagerindex und das GfK-Konsumklima sprechen eine deutliche Sprache: Die Stimmung liegt jeweils auf Niveaus die sie sonst in Rezessionszeiten erreicht. Ähnlich sieht es für die Euro-Wirtschaft aus – neben dem Einkaufsmanagerindex zeigt auch das Stimmungsbarometer (ESI) der EU-Kommission, wie trübe die Aussichten sind (siehe unten stehender Bericht).
Privatkonsum beflügelt
Ökonomen – die ein Minus von 0,2% prognostiziert hatten – zeigten sich für die weitere konjunkturelle Entwicklung hierzulande verhalten optimistisch. „Vielleicht schlägt sich die Wirtschaft selbst im Schlussquartal 2022 besser als erwartet“, sagte Thomas Gitzel, Chefvolkswirt der VP Bank. Das am Freitag veröffentlichte Zahlenmaterial bringe die Aussage, dass die Rezession bereits begonnen habe, ins Wanken. Auch die Wiesbadener Statistiker fanden lobende Worte: „Nach dem leichten Anstieg im zweiten Quartal (+0,1%) behauptete sich die deutsche Wirtschaft damit weiterhin trotz schwieriger weltwirtschaftlicher Rahmenbedingungen mit anhaltender Corona-Pandemie, gestörten Lieferketten, steigenden Preisen und dem Krieg in der Ukraine“. Getragen wurde das Wachstum vor allem von den privaten Konsumausgaben – der niedrigen Verbraucherstimmung zum Trotz. „Wahrscheinlich haben hier zwei Effekte – der Nachhall des Corona-Reopening und das Füllhorn des sommerlichen Entlastungspakets – so stark gewirkt, dass die negativen Faktoren des Energiepreisanstiegs und des Ukraine-Kriegs überkompensiert worden sind“, kommentierte LBBW-Ökonom Jens-Oliver Niklasch. Allerdings zehrt die Inflation – die im Oktober nach nationaler Rechnung auf 10,4% angezogen hat – an der Kaufkraft der Verbraucher, so dass der Privatkonsum in den kommenden Monaten eher als Bremsklotz wirken wird. Für ein schrumpfendes BIP zum Jahresende spricht für Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer zudem, dass die Unternehmen auf die fallenden Gewinne und die steigende Unsicherheit mit einem Rückgang ihrer Investitionen reagieren dürften. Er erwartet ein Minus von rund 1,0% im Quartalsvergleich, das Ifo-Institut von −0,6%. Im Vorjahresvergleich legte das BIP im dritten Quartal preis- und kalenderbereinigt 1,2% zu.
Die weitere Entwicklung, so die einhellige Meinung der Ökonomen, hängt neben dem Fortgang des Ukraine-Krieges unter anderem von den Hilfen der Regierung und der Witterung ab. Je kälter der Winter, desto schneller leeren sich die Gasspeicher, mit entsprechenden Folgen für Energiepreise und Industrieproduktion.
In der nach Deutschland zweitgrößte Euro-Volkswirtschaft Frankreich verlangsamte sich das Wachstum: Insee wies – wie von Ökonomen erwartet – ein Plus von 0,2% zum Vorquartal aus nach +0,5% im zweiten Quartal. Positive Wachstumsbeiträge lieferte die inländische Endnachfrage, wobei sich die Bruttoanlageinvestitionen „nach einem bereits relativ dynamischen Jahresbeginn im dritten Quartal stark beschleunigten“, während die Konsumausgaben der privaten Haushalte laut Insee stabil blieben. Der Beitrag der Vorratsveränderungen war leicht positiv, der Außenhandel bremste hingegen. Auch in Spanien schwächte sich das Wachstum ab. Die Erwartung lag bei 0,3%, INE vermeldete +0,2%. Während die Industrie stagnierte, verzeichneten die Dienstleister zwar einen Tempoverlust, doch legte der Freizeitsektor 7,6% zu.