Unerwartet schwache Teuerung verstärkt Druck auf die Fed
Schwache Teuerung setzt Fed unter Druck
Konsumgüter mit erstem Preisrückgang seit 2020 – Ökonomen fordern Lockerung der „viel zu restriktiven“ Geldpolitik
In den USA sind die Preise im Juni zum ersten Mal seit der Corona-Pandemie zum Vormonat zurückgegangen. Auch im Jahresvergleich ebbt die Inflation unerwartet stark ab. Jetzt wächst der Druck auf die Fed, möglichst bald die geldpolitische Wende einzuläuten. Eine Zinssenkung im September scheint so gut wie sicher.
det Washington
Die US-Verbraucherpreise befanden sich im Juni zum ersten Mal seit mehr als vier Jahren auf dem Rückmarsch. Das hat an den Märkten neue Hoffnungen geweckt, dass im laufenden Jahr mehr als eine Leitzinssenkung anstehen könnte. Wie das Bureau of Labor Statistics (BLS) des Arbeitsministeriums berichtete, gab der Verbraucherpreisindex (CPI) gegenüber dem Vormonat um 0,1% nach. Einen Rückgang hatte das BEA zuletzt im Mai 2020 gemessen. Damals hatte die wirtschaftliche Entwicklung im Zeichen der Corona-Pandemie gestanden. Erwartet hatten Bankvolkswirte im Juni hingegen einen Anstieg um 0,1%. Im Mai waren die Preise für Konsumgüter unverändert geblieben.
Deutlich stärker als erwartet gingen auch die Jahresraten zurück. So kletterte die Gesamtrate des CPI nur noch um 3,0%. Einen so niedrigen Wert hatte das BLS zuletzt im Juni vergangenen Jahres festgestellt. Ohne Berücksichtigung der volatilen Energie- und Lebensmittelpreise verteuerten sich Konsumgüter auf Jahressicht um 3,3%. Das wiederum ist der geringste Anstieg seit April 2021.
Zum Nachlassen der Teuerung trugen insbesondere Energieprodukte bei, die sich verglichen mit Mai um 2,0% verbilligten. Die Benzinpreise gaben sogar um 3,8% nach. Unterdessen zogen die Wohnkosten weiter an, gegenüber dem Vormonat um 0,2% und auf Jahressicht um 5,2%. Teurer als zuvor waren auch Lebensmittel und Bekleidung sowie Dienstleistungen im Gesundheitswesen und im Transportsektor.
Häufigere Zinssenkungen
Als Folge der überraschend positiven Zahlen glauben nun einige Ökonomen, dass die Fed häufiger als bisher angenommen den Geldhahn aufdrehen könnte. Bei seinen Auftritten im Senat und Repräsentantenhaus diese Woche hielt sich Powell noch bedeckt. Hinweise auf den Zeitpunkt der Zinswende wollte er nicht geben.
Gleichwohl betont der Fed-Vorsitzende, dass die Notenbank während der letzten Jahre Fortschritte beim Kampf gegen die Teuerung erzielt hat. Auch unterstrich Powell, dass die leichte Abschwächung am Arbeitsmarkt zunehmend in den Fokus der Währungshüter gerückt ist. Experten glauben nach wie vor, dass der Offenmarktausschuss (FOMC) im September die erste Lockerung seit März 2020 beschließen wird.
Wie aus den jüngsten Konjunktur- und Zinsprognosen hervorging, die das FOMC nach seiner Sitzung im Juni beschloss, rechnen die Währungshüter in diesem Jahr nur noch mit einer Lockerung. Angesichts der günstigen Entwicklung sowohl beim CPI als auch dem PCE-Deflator, dem bevorzugten Inflationsmaß der Notenbank, erscheinen nun zwei Zinssenkungen möglich. Das Fed Watch Tool der CME Group unterstellte nach der Veröffentlichung des CPI mit einer Wahrscheinlichkeit von fast 80%, dass die Zinswende übernächsten Monat kommen wird. Auch wird von der Möglichkeit einer weiteren Senkung des Tagesgeldsatzes gegen Ende des Jahres ausgegangen.
Inflationsziel schon erreicht
Mark Zandi, Chefökonom bei Moody’s Analytics, plädiert sogar für eine frühere Lockerung der zinspolitischen Zügel. „Ohne Berücksichtigung der Wohnkosten liegt die Inflation seit über einem Jahr bei der Zielgröße von 2%.“ Noch deutlicher wurde er vergangene Woche nach der Veröffentlichung des Arbeitsmarktberichts für Juni: „Es ist für die Fed an der Zeit, die Zinsen zu senken.“
Joe Brusuelas, Chefvolkswirt bei dem Wirtschaftsprüfungsunternehmen RSM, ist überzeugt, dass die Notenbank insbesondere positiv auf die Entwicklung der Wohnkosten reagieren wird. Diese haben bisher maßgeblich zu der hohen Inflation beigetragen. Der Dreimonatsschnitt signalisiere aber nachlassenden Preisdruck. Dies könnte das FOMC zum Anlass nehmen, „um die viel zu restriktive Geldpolitik zu lockern“, so Brusuelas.