Russische Zentralbank senkt Leitzins weiter
est Moskau
Während die Nationalbanken im Westen mit einer Anhebung der Leitzinsen beschäftigt sind, laufen die Uhren in Russland anders. Am Freitag senkte die Zentralbank den Schlüsselzins um 0,5 Prozentpunkte auf nunmehr 7,5%. Nach der ruckartigen Erhöhung des Zinses auf 20% zu Beginn des Ukraine-Krieges im Februar ist dies bereits der sechste geldpolitische Schritt nach unten. Im Unterschied zu den vorigen Schritten fiel der jetzige allerdings geringer aus.
Als Begründung gaben die Währungshüter um Notenbank-Chefin Elvira Nabiullina an, dass der Preisauftrieb nachlasse und die wirtschaftliche Dynamik über den Erwartungen liege. Demnach wird für dieses Jahr eine Inflation im Bereich von 11 bis 13% erwartet, die 2023 auf 5 bis 7% zurückgehen sollte. Für das Bruttoinlandsprodukt 2022 wird offiziell eine Kontraktion von 4 bis 6% prognostiziert.
Dass die Verbraucherpreise im Unterschied zum Westen zuletzt im August gegenüber Juli – von 15,1 auf 14,3% – sogar zurückgingen, liegt laut Zentralbank unter anderem daran, dass die Konsumnachfrage der russischen Bevölkerung aufgrund rückläufiger Realeinkommen nachgelassen hat. Insgesamt werde die Wirtschafts- und Inflationsdynamik von der künftigen Budgetpolitik abhängen.
Die Diskussion über den Budgetentwurf für die kommenden drei Jahre befindet sich gerade im Abschlussstadium. Für die Zentralbank selbst jedenfalls sei der Spielraum für weitere Zinssenkungen enger geworden, sagte ihre Chefin Elvira Nabiullina am Freitag. Man habe ein neutrales Zinsniveau erreicht. Und es gebe viele Anzeichen, dass der Inflationsdruck nicht mehr weiter nachlasse. Über ihr weiteres Vorgehen ließ die Zentralbank den Markt dieses Mal allerdings im Dunkeln. Zu ungewiss ist wohl, wie sich der Krieg gegen die Ukraine und die Sanktionen des Westens auswirken werden. Zwar hat Russland diese bisher – auch dank einer smarten Zentralbankpolitik – besser weggesteckt als erwartet. Mittel- und langfristig freilich dürften die Auswirkungen noch vehement werden.
So prognostiziert die Ratingagentur Scope, dass die Wirtschaft erst am Ende des Jahrzehnts auf das Vorkriegsniveau zurückkehren dürfte. „Die längerfristigen Aussichten haben sich verschlechtert“, heißt es in einer Scope-Studie, aus der Reuters am Freitag zitierte. Bis Ende 2023 werde das BIP um etwa 8% unter dem Stand von 2021 liegen. Danach sinke das Wachstumspotenzial von den vor dem Krieg erzielten 1,5 bis 2,0% auf 1,0 bis 1,5% Steigerung pro Jahr. Der Kapitalabfluss werde sich beschleunigen, die Produktivität durch die Sanktionen gehemmt, der Exodus vieler junger Russen verschärfe das demografische Problem.