Signale für langsameres Tempo bei Zinssenkungen
Signale für langsameres Tempo bei Zinssenkungen
Deka-EZB-Zinskompass legt keine Lockerung der Geldpolitik im Juli nahe: „Konvergenz zum Inflationsziel noch nicht sichergestellt“
Eine Zinssenkung der Europäischen Zentralbank (EZB) am Donnerstag ist quasi in Stein gemeißelt. Wie es danach weitergehen soll, ist unter Notenbankern und Ökonomen umstritten. Der Zinskompass der Deka, der exklusiv in der Börsen-Zeitung erscheint, spricht für ein eher langsames Tempo bei Zinssenkungen.
mpi Frankfurt
Alles andere als eine Zinssenkung der Europäischen Zentralbank (EZB) um 25 Basispunkte an diesem Donnerstag wäre eine faustdicke Überraschung. Offen ist jedoch, inwieweit die Notenbank Hinweise auf die weitere Geldpolitik in den kommenden Monaten geben wird. Der Deka-EZB-Zinskompass, der stets exklusiv vor einem Zinsentscheid der Notenbank in der Börsen-Zeitung erscheint, und jüngste Aussagen des EZB-Chefvolkswirts Philip Lane liefern Signale für ein eher langsameres Tempo bei den Zinssenkungen.
Die Entwicklung der Inflation und der Konjunktur in der Eurozone sprechen für die Deka derzeit nicht für eine zweite Zinssenkung der EZB im Juli. Die Inflationssäule des EZB-Kompasses machte im Mai einen deutlichen Sprung nach oben. Zudem liegt die Kernrate als Indikator für den zugrundeliegenden Preisdruck im Mai höher als von der Notenbank bei ihrer Projektion im März vorhergesagt. Dies liegt zwar auch an statistischen Sondereffekten wie dem frühen Osterfest in diesem Jahr, aber eben nicht nur. Berücksichtigt man diese Faktoren nicht, „verbleibt der Eindruck einer hartnäckig hohen Teuerung im Dienstleistungssektor“, sagt Kristian Tödtmann, Leiter Geldpolitik und Kapitalmärkte bei der Deka.
Tiefpunkt bei Inflation im Industriebereich bald erreicht
Bei Industriegütern sieht Tödtmann kaum noch Spielraum für einen weiteren Disinflationsprozess. „Denn die Erzeuger- und Einfuhrpreise haben ihre Talsohlen bereits durchschritten“, analysiert der Volkswirt. Daher rücke der Fokus auf die Dienstleistungsinflation, wo die Lohnentwicklung eine besonders große Rolle spielt. Das Wachstum der Tariflöhne fiel im ersten Quartal überraschend hoch aus und legte von 4,5 auf 4,7% zu. Dies lag zwar maßgeblich an Einmalzahlungen an Arbeitnehmer in Deutschland. Dennoch wecken die Zahlen bei einigen Ökonomen Zweifel, ob das Lohnwachstum in diesem Jahr wie von der EZB prognostiziert nachlässt. Sollte dies ausbleiben, wäre der Spielraum für Zinssenkungen 2024 geringer.
Fokus auf EZB-Prognosen
Die EZB gibt sich dennoch weiterhin optimistisch, dass das Lohnwachstum in der Eurozone abnimmt. So bezeichnete etwa der einflussreiche französische Notenbankpräsident, François Villeroy de Galhau, die Lohndaten für das erste Quartal im Interview der Börsen-Zeitung als „nicht alarmierend“. Jedoch gab es auch Ratsmitglieder, die bei der geldpolitischen Sitzung am 11. April Skepsis äußerten hinsichtlich der Annahme, dass sinkende Gewinnmargen einen Teil des Lohndrucks ausgleichen und dadurch den Preisauftrieb dämpfen werden. Möglicherweise sei der Wettbewerb bei Dienstleistern weniger intensiv als in der Industrie. Dadurch könnte der Spielraum für Preiserhöhungen im Service-Bereich größer sein als im verarbeitenden Gewerbe.
Für Tödtmann bleibt die Unsicherheit bei den mittelfristigen Inflationsaussichten weiterhin hoch. „Dies dürfte sich auch in den Signalen der EZB niederschlagen“, meint er. „Sie wird weiterhin betonen, von Sitzung zu Sitzung entscheiden zu wollen, und allzu verbindliche Aussagen über Ausmaß und Tempo zukünftiger Leitzinssenkungen vermeiden.“ Mehrere EZB-Ratsmitglieder hatten hingegen zuletzt betont, dass die Unsicherheit bezüglich der eigenen Prognosen gesunken sei. Dementsprechend hoben sie die Bedeutung der Projektionen für die Steuerung der Geldpolitik hervor.
Hohe Unsicherheit
Insofern warten Beobachter mit Spannung darauf, wie die Anpassungen bei den Prognosen für Inflation und Wirtschaftswachstum am Donnerstag ausfallen werden. Tödtmann erwartet eine leichte Revision nach oben bei der Vorhersage für das Wirtschaftswachstum 2024. Dies führt er darauf zurück, dass der Anstieg des Bruttoinlandsprodukts (BIP) der Währungszone mit 0,3% höher ausgefallen ist, als die EZB-Ökonomen in ihrer März-Projektion angegeben hatten.
Auch die Entwicklung der Einkaufsmanagerindizes deutet darauf hin, dass sich die Konjunktur in der Eurozone in der zweiten Jahreshälfte erholen wird. So ist etwa die Stimmung in der Industrie so gut wie seit einem Jahr nicht mehr. Und auch beim Konsum verdichten sich die Anzeichen einer leichten Erholung.
Wie EZB-Chefvolkswirt Lane in der vergangenen Woche erläuterte, wäre eine höhere gesamtwirtschaftliche Nachfrage ein Argument für ein eher langsameres Tempo bei Zinssenkungen. Dies spricht zusammen mit dem unsicheren Inflationsausblick dafür, dass die Wahrscheinlichkeit einer zweiten Zinssenkung direkt im Juli derzeit gering ist. Die Zeichen stehen momentan auf eine weitere Lockerung erst im September, wenn erneut neue Projektionen der EZB anstehen.