Arbeitsmarkt

Sonder­effekt treibt Arbeits­losigkeit

Die Arbeitslosenquote ist im Juni überraschend um 0,3 Prozentpunkte auf 5,2% gesprungen. Grund ist die Registrierung ukrainischer Flüchtlinge bei den Jobcentern. Der Arbeitsmarkt sei aber dennoch stabil, beruhigt BA-Chef Scheele.

Sonder­effekt treibt Arbeits­losigkeit

ast Frankfurt

Die Arbeitslosenquote ist in Deutschland im Juni überraschend gestiegen. Sie legte um 0,3 Prozentpunkte auf nun 5,2% zu. Das geht aus dem am Donnerstag veröffentlichten Monatsbericht der Bundesagentur für Arbeit (BA) hervor. „Der Arbeitsmarkt insgesamt ist weiterhin stabil“, beruhigt Detlef Scheele, Vorstandsvorsitzender der Behörde, bei der Vorstellung der Zahlen in Hamburg. Die Arbeitslosenzahl werde jedoch durch die Erfassung ukrainischer Flüchtlinge weiter zunehmen. In der Eurozone erreichte die Arbeitslosenquote derweil ein neues Rekordtief bei 6,6%.

„Die Arbeitslosigkeit wird in den nächsten Monaten Monat für Monat steigen, gar keine Frage“, führte Scheele bei der letzten Statistik-Vorstellung seiner Amtszeit aus. Ab 1. August übernimmt Andrea Nahles seinen Posten. In einem Juni geht die Zahl der Arbeitslosen für gewöhnlich zurück. Im Gegensatz dazu legte sie in diesem Jahr jedoch bereits im Juni kräftig um 103000 auf 2,363 Millionen zu. Saisonbereinigt nahm die Arbeitslosigkeit um 133000 Personen zu. Die Zahl der Arbeitslosen ukrainischer Staatsangehörigkeit stieg laut Scheele innerhalb eines Monats um 111000. Zudem dürfte sich ihre Zahl noch deutlich erhöhen. Bisher hätten sich 267000 ukrainische Geflüchtete bei den Jobcentern registriert, sagte Scheele. Im Ausländerzentralregister liege ihre Zahl aber bei rund 650000, so dass mit weiteren Anmeldungen bei den Jobcentern zu rechnen sei. Angesichts des hohen Arbeitskräftebedarfs vieler Branchen finde aber keine Verdrängung statt. „Ukrainische Geflüchtete nehmen niemandem einen Arbeitsplatz weg“, so Scheele. „Hier findet kein Wettbewerb um freie Arbeitsplätze statt.“

Nachfrage stabil

Analysten hatten mit einem leichten Rückgang der Arbeitslosigkeit gerechnet. Die Bundesbehörde hatte allerdings bereits im Mai angekündigt, dass die Flüchtlinge aus der Ukraine sich noch nicht in der Statistik wiederfänden. Das hat sich nun geändert. „Der Anstieg der Arbeitslosigkeit hat seine Ursachen also ausdrücklich nicht in einer ungünstigen Entwicklung am Arbeitsmarkt, sondern hängt mit dem Übergang der Flüchtlinge in die Grundsicherung zusammen“, unterstrich Scheele.

Trotz Krieg, Lieferschwierigkeiten und des hohen Preisdrucks sei der deutsche Arbeitsmarkt weiterhin stabil. Insgesamt gibt es 251000 Arbeitslose weniger als vor einem Jahr. Auch die Beschäftigung nimmt laut Statistischem Bundesamt (Destatis) weiter zu. Die Arbeitskräftenachfrage war zwar zuletzt leicht gesunken, bewegt sich aber nach wie vor auf sehr hohem Niveau.

Angesichts des sich in den vergangenen Monaten – nicht zuletzt aufgrund der Coronakrise – verschärfenden Fachkräftemangels in vielen Branchen nutzte Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger die aktuelle Statistik, um eine „umfassende und ganzheitliche Strategie von Bund und Ländern“ zu fordern.

Euroland überzeugt

„Fachkräftesicherung sollte ganz oben auf der Liste der politischen Notwendigkeiten stehen“, so Dulger weiter. Es brauche eine „aktive und gezielte Zuwanderung und nicht nur das Verwalten von potenziellen Arbeitskräften aus anderen Ländern“. Das Motto der Zukunft auf dem Arbeitsmarkt müsse sein: „Gekommen, um bleiben zu wollen.“ In Euroland zeigt sich der Arbeitsmarkt ebenfalls stabil – und zudem unbeeindruckt von der Flüchtlingswelle aus der Ukraine. Das Statistikamt Eurostat ermittelte für Mai eine Arbeitslosenquote von 6,6%. Für die Europäische Union lag die Quote bei 6,1%. Es handelt sich um den niedrigsten Stand seit der Einführung der Gemeinschaftswährung 1999. Volkswirte hatten nicht mit einer derart deutlichen Verbesserung der Situation gerechnet.

Im Monatsvergleich sank die Zahl der Arbeitslosen im Euroraum im Mai um 81000 auf rund 11 Millionen. Zum entsprechenden Vorjahresmonat ging die Zahl um 2,165 Millionen zurück. Im gemeinsamen Währungsraum hat Spanien die höchste Arbeitslosigkeit mit einer Quote von 13,1%.

Wertberichtigt Seite 8

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