Politiker dringen auf Einfluss

Unabhängigkeit der Notenbanken unter Beschuss

Politiker stellen die Eigenständigkeit von Zentralbanken bei der Geldpolitik infrage – nicht nur Trump in den USA. Dabei zeigen Studien, dass unabhängige Zentralbanken ihr Mandat der Preisstabilität zuverlässiger erreichen.

Unabhängigkeit der Notenbanken unter Beschuss

Unabhängigkeit der Notenbanken unter Beschuss

Politiker in mehreren Ländern stellen die Eigenständigkeit von Zentralbanken bei der Geldpolitik infrage – Trump setzt Powell unter Druck

mpi Frankfurt
Von Martin Pirkl, Frankfurt

Donald Trump könnte als US-Präsident mit einem seit über hundert Jahren gültigen Grundsatz brechen: der Unabhängigkeit der Fed. „Ich denke, der Präsident sollte zumindest ein Mitspracherecht haben“, sagte der Präsidentschaftskandidat Anfang August zu Journalisten bezogen auf die Geldpolitik der Fed. Und er legte nach: „Ich denke, dass ich einen besseren Instinkt habe als in vielen Fällen die Leute, die in der Federal Reserve sind oder der Vorsitzende.“

Den Fed-Vorsitzenden Jerome Powell greift Trump verbal bereits seit Jahren an und droht ihm mit einer Absetzung, sollte Trump die Wahl gewinnen. Doch der Amerikaner ist nur das vermutlich prominenteste Beispiel eines Politikers, der an der Unabhängigkeit einer Notenbank rüttelt. In der Türkei und auch in Ungarn ist die Regierung sogar schon ein Stück weiter.

Erdogan mischt bei türkischer Geldpolitik mit

Innerhalb der vergangen fünf Jahre tauschte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan gleich fünfmal die Spitze der Notenbank aus. Und nicht nur das, trotz formaler Unabhängigkeit der Notenbank diktierte Erdogan lange Zeit die Geldpolitik. Als erklärter Verfechter niedriger Zinsen verlangte er von den Notenbankern trotz hoher Inflation eine lockere Geldpolitik.

„Es ist offensichtlich, dass sich Erdogan in die Geldpolitik eingemischt hat, mit der Folge, dass die Inflation höher und die Währung schwächer wurde“, sagt Karsten Junius, Chefökonom der Schweizer Bank J. Safra Sarasin. Auch wenn Erdogan der Notenbank inzwischen weitgehend freie Hand lässt, um das Land für ausländische Investoren wieder attraktiver zu machen, gehört die Teuerung in der Türkei immer noch zu den höchsten weltweit.

Gesetzesinitiative in Ungarn

In Ungarn sorgt sich derweil die Notenbank aufgrund einer Gesetzesinitiative der Regierung von Ministerpräsident Viktor Orban um ihre Unabhängigkeit. Der Entwurf des Finanzministeriums sieht unter anderem eine Ausweitung der Befugnisse des Aufsichtsrats der Notenbank vor. Die Regierung und der Notenbankpräsident György Matolcsy liegen seit längerem im Clinch. Matolcsy äußerte sich unzufrieden über die expansive Fiskalpolitik der Regierung, welche die Geldpolitik torpediere. Orban wiederum kritisierte die Notenbank dafür, dass die ungarische Inflationsrate zwischenzeitlich die höchste in der gesamten EU war. Am Mittwoch legte Finanzminister Marton Nagy mit Kritik nach. Die Notenbank sei wie ein „Zyklop“. Sie habe nur ein Auge, welches auf die Inflation gerichtet ist. Das Wirtschaftswachstum Ungarns habe sie hingegen nicht im Blick.

Die Gesetzesinitiative, die im Herbst ins Parlament eingebracht werden könnte, könnte die Notenbank in ihrer Unabhängigkeit beschneiden, fürchten die Währungshüter – nicht nur in Ungarn. Auch die EZB gab Ende Februar eine Stellungnahme ab, dass die Gesetzesinitiative nicht die Unabhängigkeit der ungarischen Notenbank beschneiden dürfe.

Studien stellen Vorteile der Unabhängigkeit von Notenbanken heraus

Die Notenbanker können sich bei ihrer Argumentation auf Studienergebnisse stützen. „In der Tat bestätigen eine Vielzahl empirischer Studien einen signifikant negativen Zusammenhang zwischen dem Grad der Unabhängigkeit einer Notenbank und der durchschnittlichen Inflationsrate in dem entsprechenden Land, und zwar, ohne dass dies mit einer höheren Volatilität des gesamtwirtschaftlichen Outputs bzw. der gesamtwirtschaftlichen Beschäftigung einhergeht“, heißt es etwa in einer Untersuchung der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf.

Auch argumentativ spricht einiges dafür, dass unabhängige Notenbanken effektiver agieren. So haben Staaten zum einen durchaus ein Interesse an einer eher hohen Inflation, weil es die Staatsschulden real verringert. Zum andere führen niedrige Leitzinsen dazu, dass die Zinslast der Regierung für Schulden kleiner ausfällt. Außerdem führen Regierungswechsel bei politisch unabhängigen Zentralbanken nicht zu ansonsten möglichen Kehrtwenden in der Geldpolitik.

Angriff auf die Glaubwürdigkeit von Notenbanken

„Die Politiker müssen aufpassen, mit populistischer Kritik nicht die Glaubwürdigkeit der Notenbank zu untergraben, die diese für die Geldpolitik benötigt“, sagt Junius. Dies gefährde die Effektivität der Geldpolitik. Mit Blick auf direkte Angriffe auf die Unabhängigkeit der Fed zeigt sich der Ökonom optimistisch. Zum einen seien die gesetzlichen Hürden hoch. Zum anderen glaubt Junius auch aus taktischen Gründen nicht, dass Trump im Falle eines Wahlsiegs die Fed umkrempeln wird. „Der Nutzen, Powell abzusetzen, wäre für Trump begrenzt. Es ist vorteilhafter für ihn, einen Buhmann zu haben.“

Dass die Politik bei vielen Zentralbanken die Führungskräfte bestimmt – etwa bei der EZB – beurteilt Junius bezogen auf die Unabhängigkeit als unproblematisch. „Viele Regierungen reden mit bei der Besetzung des EZB-Rats, da ist die Gefahr politischer Einflussnahme einzelner Regierungen begrenzt.“

Kritik an Notfallinstrument der EZB

Volker Wieland, Geschäftsführender Direktor des Institute for Monetary and Financial Stability (IMFS) an der Goethe-Universität Frankfurt, sieht im Transmission Protection Instrument (TPI) ein mögliches Einfallstor für politischen Druck auf die EZB. TPI ist ein bislang noch nie eingesetztes Notfallinstrument, welches die EZB einsetzen kann, „um ungerechtfertigten, ungeordneten Marktentwicklungen entgegenzuwirken, sofern diese eine ernsthafte Bedrohung für die einheitliche Transmission der Geldpolitik im Euroraum darstellen“. Diese Definition bietet Spielraum für Interpretationen. „Einzelne Euro-Länder können ein politisches Interesse haben, dass die EZB TPI einsetzt. Für die EZB ist es schwer, sich diesem Druck völlig zu entziehen“, sagt Wieland.

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