Deutsche Industrie

Unerwartet kräftiges Auftragsplus

Im Juni hat die deutsche Industrie überraschend viele Aufträge generiert. Das erste Plus in diesem Jahr sollte aber nicht überbewertet werden. Frühindikatoren säen Zweifel am erwarteten Aufschwung.

Unerwartet kräftiges Auftragsplus

Unerwartet kräftiges Auftragsplus

3,9 Prozent mehr Neubestellungen − Binnennachfrage maßgeblich − Umsatzrückgang verheißt weiter schwierige Monate

Im Juni hat die deutsche Industrie überraschend viele Aufträge generiert, vor allem dank der starken Binnennachfrage. Das erste Orderplus in diesem Jahr sollte aber nicht überbewertet werden: Frühindikatoren säen Zweifel am erwarteten Aufschwung. Und auch der Umsatzrückgang zeugt von weiteren schwierigen Monaten.

ba Frankfurt

Die deutsche Industrie hat im Juni erstmals in diesem Jahr mehr Aufträge eingesammelt als im Vormonat. Ökonomen hatten zwar mit einem Plus gerechnet, aber nicht von diesem Ausmaß. Angesichts der sich zuletzt verstärkenden Rezessionsängste warnen sie allerdings vor zu großer Euphorie: Die jüngsten Rückgänge wichtiger Stimmungsbarometer wie des Ifo-Geschäftsklimas oder des Einkaufsmanagerindex stellen die für das zweite Halbjahr erwartete Konjunkturerholung infrage. Dass der Umsatz um 0,9% gefallen ist, lässt nicht unbedingt auf eine weitere positive Überraschung bei der Produktion schließen, die an diesem Mittwoch veröffentlicht wird. Ökonomen rechnen mit einem Plus von 1,0%.

Mai doch etwas schwächer

Laut dem Statistischen Bundesamt (Destatis) hat das verarbeitende Gewerbe im Juni preis-, saison- und kalenderbereinigt 3,9% mehr Neubestellungen gemeldet als im Vormonat. Allerdings war die Auftragsentwicklung im Mai etwas schwächer als zunächst gemeldet: Die Wiesbadener Statistiker revidierten den Rückgang von 1,6% auf 1,7% nach unten. Ökonomen hatten für Juni ein Plus von 0,5% prognostiziert, nachdem in den fünf Monaten zuvor die Orderzahlen rückläufig waren. Ihre Erwartungen wurden selbst ohne die volatilen Großaufträge übertroffen. Um diese bereinigt legten die Orderzahlen um 3,3% zu. Im weniger volatilen Dreimonatsvergleich allerdings unterschreitet der Auftragseingang in den drei Monaten bis Juni das Niveau des Vorquartals um 1,4%.

„Lediglich eine Bodenbildung“

„Eine starke Zahl, die den langen Abwärtstrend unterbricht“, urteilt Ökonom Bastian Hepperle von der Hauck Aufhäuser Lampe Privatbank. Große Hoffnung auf eine Wende zum Besseren bestehe aber noch nicht. „Der Druck auf die Industrieunternehmen bleibt groß und Kapazitäten dürften eher verringert als ausgeweitet werden“, erwartet Hepperle. Für Commerzbank-Chefökonom Jörg Krämer ist das kräftige Plus auch eine Gegenbewegung zum starken Ordereinbruch im Mai: „Insgesamt zeichnet sich jetzt lediglich eine Bodenbildung ab.“ Die abebbende Belastung durch die zurückliegenden Zins- und Energiepreiserhöhungen schlage bisher nicht wie erhofft positiv auf die Konjunktur durch. „Die Unternehmen sind einfach zu verunsichert, weil sie nicht erkennen, dass sich auf absehbare Zeit etwas an der seit Jahren fortschreitenden Erosion der Standortqualität ändert“, betont Krämer. Auch die Konsumenten seinen tief verunsichert und würden nur langsam auf die wieder stärker steigenden Löhne positiv reagieren.

Breite Belebung unwahrscheinlich

Die Wiesbadener Statistiker führen das Auftragsplus maßgeblich auf die inländischen Neuaufträge zurück, die um 9,1% gestiegen sind. Zusammen mit den Ergebnissen aus dem Bank Lending Survey der EZB könne dies „auf gestiegene Investitionsabsichten und eine Erholung der Anlageinvestitionen im zweiten Halbjahr hindeuten“, kommentiert das Bundeswirtschaftsministerium. „Eine breitere Belebung der Industriekonjunktur ist aber angesichts der weiterhin gedämpften Stimmung in den Unternehmen und der noch schwachen Auslandsnachfrage vorerst nicht wahrscheinlich“, hieß es zudem. Die Auslandsaufträge erhöhten sich um 0,4%, wobei die Aufträge von außerhalb der Eurozone um 0,9% zulegten, während die aus der Eurozone um 0,3% sanken.

Autos schieben an

Den größten Schub brachte im Juni der deutliche Anstieg von 9,3% in der Automobilindustrie, erklärte Destatis. Auch die Zuwächse im Bereich Herstellung von Metallerzeugnissen (9,8%) wirkten sich positiv aus.

Ebenso wie der sonstige Fahrzeugbau, zu dem Flugzeuge, Schiffe und Züge gehören (11,7%). Einen negativen Einfluss hatte hingegen der Rückgang von 7,9% im Bereich Herstellung von Datenverarbeitungsgeräten, elektronischen und optischen Erzeugnissen.

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