ExklusivKonjunkturtableau Deutschland

Verschärfter Auftragsmangel bremst die Wirtschaft

Neben der politischen Unsicherheit hat sich nun auch der Auftragsmangel weiter verschärft und bremst die Wirtschaft. Noch ist die Lage zu unübersichtlich, die Prognosen dürften erst in den anstehenden Jahresausblicken angepasst werden – so auch im Konjunkturtableau von Börsen-Zeitung und ZEW.

Verschärfter Auftragsmangel bremst die Wirtschaft

Verschärfter Auftragsmangel bremst die Wirtschaft

Niveau so hoch wie seit der Finanzkrise 2009 nicht mehr − Konjunkturtableau zeigt Stagnation

Von Alexandra Baude, Frankfurt

Die deutsche Wirtschaft tritt auf der Stelle. Nicht nur, dass sich mit dem Bruch der Berliner Ampel-Koalition und der Wahl von Donald Trump zum 47. US-Präsidenten die politische Unsicherheit verschärft hat, die die Investitionslaune dämpft − auch der Auftragsmangel verstärkt sich und ist derzeit so ausgeprägt wie zu Zeiten der globalen Finanzkrise im Jahr 2009. Vor allem die stark exportorientierte deutsche Industrie kommt daher nicht aus dem Tief, auch wenn Stimmungsindikatoren zuletzt eine Bodenbildung bei der Industriekonjunktur angedeutet haben. In diesem Jahr dürfte die hiesige Wirtschaft stagnieren, wie auch das aktuelle Konjunkturtableau von Börsen-Zeitung und ZEW erwarten lässt.

Vor allem den Kernbranchen fehlen Aufträge

Der jüngsten Ifo-Umfrage zufolge klagen im Oktober 41,5% der Unternehmen über Auftragsmangel, im Juli waren es noch 39,4%. So hoch lag der Wert zuletzt 2009 während der globalen Finanzkrise. „Der Mangel an Aufträgen hemmt weiterhin die konjunkturelle Entwicklung in Deutschland“, sagt Ifo-Experte Klaus Wohlrabe. „Kaum eine Branche bleibt verschont.“ In der Industrie fehlen 47,7% der Firmen Neubestellungen − ausgerechnet insbesondere in den Kernbranchen wie Maschinenbau, Metall- und Elektroindustrie. Dass im September die Auftragsbestände gestiegen sind, könnte ein Hoffnungssignal sein, meint Wohlrabe. „Aber es ist noch ein weiter Weg zu gehen, bis die Bücher wieder voll sind.“

Auch Dienstleister klagen

Bei den Dienstleistern sind es derweil 32,1%, nach zuvor 31,2%, denen Aufträge fehlten. Während der Transportsektor unter der schlechten Industriekonjunktur leidet, berichten zwei Drittel der Personalagenturen wegen der schwachen Arbeitskräftenachfrage über mangelnde Aufträge. „Leiharbeiter sind in der aktuellen Lage weniger gefragt“, sagt Wohlrabe. In der Gastronomie beklagt sich etwas mehr als ein Drittel über zu wenig Gäste. In der Veranstaltungsbranche ist der Anteil betroffener Unternehmen auf 48,5%, nach 38,5% im Juli, gestiegen. „Die Großereignisse haben sicherlich etwas Kaufkraft für kleinere Konzerte und Veranstaltungen abgezogen“, sagt Wohlrabe. Der oft als Bremsfaktor beklagte hohe Bürokratie- und Regulierungsaufwand verschafft immerhin Rechts- und Steuerberatern sowie Wirtschaftsprüfern eine hohe Nachfrage: Sie blicken laut Ifo „im Moment weniger sorgenvoll auf ihre Auftragslage“.

Neue Prognosen in Arbeit

Die aktuellen Wachstumsprognosen − so auch die im Konjunkturtableau − sind derzeit mit Vorsicht zu genießen. Es steht zu erwarten, dass die politischen Turbulenzen dies- und jenseits des Atlantiks die hiesige Wirtschaft kurzfristig eher weiter abbremsen werden. Bankvolkswirte, die derzeit ihre Jahresprojektionen erstellen, dürften daher die Erwartungen noch etwas nach unten nachjustieren. Mittelfristig hängt es davon ab, wie lange die politische Hängepartie hierzulande dauert und welchen Ausgang sie hat.

Unsicherheit bremst

Die von Trump angekündigten Strafzölle von 10 bis 20% auf Einfuhren aus der EU werden vor allem die gewichtige deutsche Automobilindustrie treffen, in der die Stimmung ohnehin trübe und die Produktion sehr volatil ist. Was wiederum auf die Gesamtfertigung des verarbeitenden Gewerbes durchschlägt. Die Unsicherheit belastet die Investitionen weiter, für die im Tableau ohnehin ein Rückgang von 3,2% für das laufende Jahr eingestellt ist. Gebremst werden die Investitionen aber auch durch die überbordende Bürokratie, den Arbeits- und Fachkräftemangel, hohe Stromkosten, eine geringe Planungssicherheit und die vergleichsweise hohe Unternehmenssteuerlast − oder kurz gesagt die oft beklagte Standortschwäche.

Wachstumsprognose noch unverändert

Ob sich der aktuell noch schwächelnde Exportsektor in dieser Gemengelage tatsächlich als Wachstumstreiber im kommenden Jahr erweisen kann, ist fraglich. Die im Vergleich zum vorherigen Tableau unveränderten Wachstumserwartungen von 0,0% für das laufende und 0,8% im kommenden Jahr wurden noch vor den politischen Geschehnissen ermittelt, betont ZEW-Experte Alexander Glas. Zum Vergleich: Die Bundesregierung erwartet derzeit für 2024 Minus von 0,2% und für 2025 ein Wachstum von 1,1%.

Auf Zinssenkung gesetzt

Berücksichtigt ist hingegen die jüngste Zinssenkung der EZB im Oktober. Die Auguren erwarten den nächsten Lockerungsschritt im Dezember und haben ihre Erwartungen an die kurzfristigen Zinsen auf Sicht von drei Monaten um 0,3 Prozentpunkte auf 3,1 Punkte gesenkt. Die Zinsprognose für die nächsten 12 Monate fällt um 0,1 Prozentpunkte auf einen Wert von 2,4 Punkten. „Für das kommende Jahr werden somit weitere Zinsschritte erwartet“, erklärt Glas. Die im Oktober auf 2,0% gestiegene Inflationsrate hat die Erwartungen der Experten noch nicht beeinflusst: Auf Jahressicht werden weiter 2,3% prognostiziert.

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