US-Geldpolitik

Vogel Strauß

Das gibt es wahrlich nicht alle Tage: Da spricht US-Finanzministerin Janet Yellen öffentlich darüber, dass womöglich moderat höhere US-Zinsen nötig werden könnten, um ein Überhitzen der US-Wirtschaft zu verhindern, worauf weltweit die Börsen...

Vogel Strauß

Das gibt es wahrlich nicht alle Tage: Da spricht US-Finanzministerin Janet Yellen öffentlich darüber, dass womöglich moderat höhere US-Zinsen nötig werden könnten, um ein Überhitzen der US-Wirtschaft zu verhindern, worauf weltweit die Börsen einknicken – und nur wenige Stunden später rudert sie ebenso öffentlichkeitswirksam zurück und erklärt, sie habe weder Zinserhöhungen prognostiziert noch empfohlen. Und das Weiße Haus fühlt sich bemüßigt klarzustellen, dass die Unabhängigkeit der US-Notenbank respektiert werde. Also alles nicht so gemeint – und überhaupt auch alles gar nicht so schlimm?

Als ehemalige US-Notenbankchefin, aber auch als Finanzministerin muss Yellen nur zu gut wissen, wie sehr die Märkte mitunter jedes einzelne Wort auf die Goldwaage legen – zumal wenn es um einen vermeintlichen Wi­derspruch zur offiziellen Fed-Linie geht, deren Notenbanker bislang nichts wissen wollen von einem Herunterfahren der enormen Anleihekäufe und schon gar nichts von einem steigenden Leitzins. Das macht Yellens Auftritt(e) umso überraschender und irritierender. In Zukunft sollte sie sich wieder an die historische Konvention halten und sich als Finanzministerin nicht zur Geldpolitik äußern – erst recht nicht als Ex-Fed-Chefin.

In der Sache aber hat Yellen mehr recht, als ihr selbst wohl lieb ist – schließlich gilt sie nicht gerade als Verfechterin einer straffen Geldpolitik. Aber die Gefahr einer Überhitzung der US-Wirtschaft ist in der Tat nicht von der Hand zu weisen – vor allem, weil Präsident Joe Biden fiskalpolitisch weiter aus allen Rohren feuert, obwohl die US-Wirtschaft nach der Coronakrise bereits Richtung 7% Wachstum in diesem Jahr zusteuert. Und auch wenn der jüngste starke Inflationsanstieg einige temporäre Gründe hat – es wäre fahrlässig, die Möglichkeit eines dauerhafteren Inflationstrends leichtfertig abzutun. Die Fed darf nicht den Fehler der 1970er wiederholen, als sie aus falschem Glauben und auf unsicherer Datenlage bei anziehenden Preisen zu lange tatenlos zuschaute.

Yellens Wortmeldung war jetzt hoffentlich auch ein Weckruf für die Marktteilnehmer, dass Geldpolitik keine Einbahnstraße ist und die Zinsen auch mal wieder steigen können. In Zeiten, in denen fraglos einige Exzesse und Un­gleich­gewichte an den Finanzmärkten zu beobachten sind, tut das doppelt not. Und die aufgeregte Reaktion auf Yellens Wortmeldung ist hoffentlich eine Mahnung an die Fed, eine künftige Kehrtwende frühzeitig vorzubereiten und nicht bis zum allerletzten Tag die Augen vor jeder Exitdebatte zu verschließen. Die Vogel-Strauß-Taktik hilft da niemandem.

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