Was die Italien-Wahl für die EZB bedeutet
Von Mark Schrörs, Frankfurt
Wenn am Sonntag in Italien gewählt wird, werden auch die Euro-Währungshüter gebannt gen Rom blicken. Und das liegt nicht vorrangig an der Verbundenheit vieler Notenbanker mit dem scheidenden Regierungschef Mario Draghi, der bis Ende 2019 an der Spitze der Europäischen Zentralbank (EZB) gestanden hat. Und auch nicht an den anhaltenden Spekulationen, EZB-Direktoriumsmitglied Fabio Panetta könne als Finanzminister in sein Heimatland wechseln. Italien ist vielmehr für die EZB – wie für die Eurozone insgesamt – von zentraler Bedeutung.
Zwar hat die wahrscheinliche Wahlsiegerin, die Fratelli d’Italia unter Führung von Georgia Meloni, den Euro-Austritt, mit dem rechte und populistische Kräfte in Italien in der Vergangenheit geliebäugelt haben, aus dem Wahlprogramm gestrichen. Zudem hat sich Meloni zuletzt vor allem gegenüber dem Ausland viel Mühe gegeben, sich eher als Mainstream-Konservative zu präsentieren, deren Wirtschaftsprogramm keine Gefahr für den Zufluss der erhofften EU-Gelder darstellt. Für die EZB steht bei der Wahl dennoch einiges auf dem Spiel – kurz- wie auch mittel- und langfristig.
Kurzfristig stellt sich für die EZB vor allem die Frage, wie der erwartete Wahlsieg Melonis letztlich an den Finanzmärkten aufgenommen wird. Sollte es Unruhe oder gar Turbulenzen geben und sollten die Renditen italienischer Staatsanleihen erneut deutlich anziehen, wird der Druck auf die EZB gegenzusteuern wieder zunehmen. In den vergangenen Monaten hat die EZB Italien bereits mit vielen Milliarden Euro unterstützt, indem sie im Rahmen ihres Pandemic Emergency Purchase Programme (PEPP) die Erträge aus fällig werdenden Anleihen in erster Linie in italienische (und spanische) Anleihen investiert hat.
Kontroverse über neues TPI
Bei einer drohenden Krise könnte zudem das im Juli neu geschaffene Transmission Protection Instrument (TPI) erneut in den Mittelpunkt rücken. Formal soll das TPI eine einheitliche Geldpolitik in allen Euro-Ländern unterstützen. De facto ist es aber vor allem eine Art Beistandsverpflichtung für hoch verschuldete Länder wie Italien. Das zeigt auch die Entstehungsgeschichte: Das TPI wurde im Grunde im Juni auf den Weg gebracht, nachdem im Zuge eines breiteren Ausverkaufs bei Euro-Staatsanleihen die italienische Rendite erstmals seit 2014 wieder über 4% geklettert war. Kritiker werfen der EZB vor, sie betreibe so verbotene monetäre Staatsfinanzierung.
Die weitere Entwicklung in Italien kann zudem Einfluss auf den weiteren Zinserhöhungskurs der EZB haben. Die Euro-Granden werden zwar nicht müde zu betonen, dass sie dabei allein das Mandat der Preisstabilität im Blick haben, und den Vorwurf der fiskalischen Dominanz zurückzuweisen – dass also die Solvenz der Euro-Staaten wichtiger ist als die Sicherung stabiler Preise. Dennoch war die Sorge um Länder wie Italien nach Einschätzung vieler Beobachter ein Grund, warum die EZB eher zögerlich auf die sehr hohe Inflation reagiert hat. Auch jetzt sind es nicht zuletzt Italiens Notenbankchef Ignazio Visco und das italienische Direktoriumsmitglied Panetta, die eher für graduelle Zinserhöhungen der EZB plädieren und die Konjunkturrisiken hervorheben.
Sollte Melonis wirtschaftspolitische Agenda zudem Italiens Wirtschaft kurzfristig bremsen und das Wachstumspotenzial langfristig schwächen, würde das auch die Euro-Wirtschaft insgesamt in Mitleidenschaft ziehen und den Spielraum der EZB einschränken.
Langfristig stellt sich für die EZB zudem die Frage, wie sich ein Politikschwenk in Italien auf ihre Rolle in der Währungsunion auswirken könnte. Aktuell tobt ohnehin eine Debatte, ob die EZB künftig etwa mehr Gewicht auf das Wachstum statt nur auf die Inflation legen sollte. In Italien ist in der Vergangenheit zudem immer wieder der Vorschlag ventiliert worden, die EZB zum Kreditgeber der letzten Instanz („lender of last resort“) für die Euro-Staaten zu machen. Solche Diskussionen könnten neuen Schwung erhalten.