Wo der Geist der Planwirtschaft atmet
Wo der Geist der Planwirtschaft atmet
Auch Lindner hält kleine Anpassungen der Schuldenbremse für möglich – aber ohne Verfassungsänderung.
Von Andreas Heitker, Berlin
Seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Klima- und Transformationsfonds (KTF) vor fünf Monaten ist das Für und Wider der Schuldenbremse in der Öffentlichkeit bereits rauf und runter diskutiert worden. Zuletzt hatte der Direktor des Walter Eucken Instituts und frühere Wirtschaftsweise Lars Feld zusammen mit weiteren Autoren für die Friedrich-Naumann-Stiftung die Wirkung der umstrittenen Regeln untersucht. Fazit der vor wenigen Tagen vorgestellten Studie: Diese hätten ursächlich zur Haushaltskonsolidierung beigetragen: Ohne ihre Einführung hätten der Schuldenstand des Bundes rund 20 Prozentpunkte und die Zinskosten von 2011 bis 2021 durchschnittlich um 0,46% höher gelegen.
Umso überraschender war es am Montag, bei einem „Economic Dialogue“ im Bundesfinanzministerium doch noch einmal ein neues Argument in der Debatte zu vernehmen: Die Schuldenbremse „atmet den Geist der Planwirtschaft“, lautete die These von Christian Bayer, Professor am Institut für Makroökonomik und Ökonometrie der Uni Bonn. Er verwies zur Begründung darauf, dass die Schuldenbremse keine Preise, Zinsen und Staatsanleihen kenne. Bayer stellte zugleich die Frage, ob die Bremse tatsächlich die Nettovermögensposition des Staates stärke, zu der ja auch Investitionen gehörten.
Nicht nur Lars Feld, der mit auf dem Podium saß, wirkte irritiert. Auch der Hausherr Christian Lindner ging nicht weiter auf das Planwirtschaftsargument ein. Der Bundesfinanzminister sieht weiter „im Kern“ keinen Veränderungsbedarf an der Schuldenbremse, hält aber „Modifikationen“ in zwei Punkten für vorstellbar, bei denen keine Grundgesetzänderungen nötig sind: Dies betrifft zum einen das Konjunkturbereinigungsverfahren, das auch die Wirtschaftsweisen Ende Januar schon ins Visier genommen hatten. Bei einer Reform dieses Verfahrens dürfe es aber keinerlei populistische Einflussnahmen geben, stellte der FDP-Chef klar. Und zum anderen geht es um die Tilgungsverpflichtungen, bei denen Lindner Spielräume sieht.
Wenn der krisen- und pandemiebedingte Anstieg der Schuldenquote wieder abgebaut sei – was noch in diesem Jahrzehnt der Fall sein werde –, stelle sich die Frage, ob die Schulden dann noch länger überproportional abgebaut werden sollten, sagt der Minister. Eine Streckung der Tilgung könnte dann jährlich 12 Mrd. Euro zusätzlichen Finanzspielraum für Investitionen bringen. In einem ist sich Linder zudem mit dem Ökonomen Bayer einig: Das KTF-Urteil aus Karlsruhe hat insbesondere mit seinen Ausführungen zum Thema Jährlichkeit und Jährigkeit die Schuldenbremse noch einmal verschärft. Dies sei so „nicht erforderlich“ gewesen. Die Folge ist unter anderem, dass die Beiträge des Fonds für die Ahrtal-Flutopfer in diesem Jahr aus dem Bundeshaushalt kommen.