Geldpolitik

Zentralbanker trotzen Rezessions­ängsten

Weltweit straffen die Zentralbanken wegen der hohen Inflation ihre Geldpolitik. Zugleich wächst aber die Sorge vor einer globalen Rezession. Führende Notenbanker der Fed und der EZB machen nun klar, wo aktuell ihre Priorität liegt.

Zentralbanker trotzen Rezessions­ängsten

ms Eltville

– Führende Notenbanker von dies- und jenseits des Atlantiks haben die Dringlichkeit betont, wegen der hohen Inflation die geldpolitischen Zügel deutlich anzuziehen. US-Notenbanker John Williams untermauerte am Dienstag bei einer Konferenz im hessischen Eltville die Perspektive weiterer deutlicher Zinserhöhungen in den USA und sagte, dass er notfalls nicht davor zurückschrecken werde, die US-Wirtschaft deutlich zu bremsen. Bundesbankchef Joachim Nagel warnte in Eltville vor einer Lohn-Preis-Spirale im Euroraum und plädierte für eine erste EZB-Zinserhöhung im Juli.

Kampf gegen hohe Inflation

Weltweit ist die Inflation im vergangenen Jahr vor allem als Folge der Coronakrise sprunghaft und stärker als erwartet angestiegen. Jetzt wird sie durch den Ukraine-Krieg zu­sätzlich befeuert. In den USA etwa lag die Inflation im April bei 8,5%, im Euroraum bei 7,5%. Rund um den Globus straffen die Zentralbanken deshalb die Geldpolitik. Zugleich wächst aber die Sorge vor einer globalen Rezession wegen des Kriegs und der neuen Lockdowns in China.

Der Präsident der mächtigen regionalen Fed New York, John Williams, betonte jetzt bei der Konferenz der Bundesbank und der US-Ökonomenvereinigung NABE, dass es derzeit das primä­re Ziel der Fed sei, die zu hohe In­flation zu senken. Vergangene Wo­che hatte die Fed ihren Leitzins um 50 Basispunkte auf 0,75 bis 1% angehoben – die erste Zinserhöhung um 50 Punkte seit 22 Jahren. Vor allem in den USA nimmt die Debatte über eine drohende Rezession auch infolge der geldpolitischen Straffung zu.

Williams betonte nun, dass die US-Wirtschaft stark sei und die Straffung verkraften könne – auch wenn das Wachstum eine Zeit lang unter Trend fallen und die Arbeitslosigkeit etwas steigen könnte. Für die nächsten Fed-Sitzungen im Juni und Juli avisierte er weitere Zinsschritte von 50 Ba­sispunkten. Ziel sei es, den Leitzins rasch zu normalisieren. In den USA wird derzeit ein Leitzins von rund 2,5% als neutral angesehen. Williams machte aber auch klar, dass er notfalls bereit sei, den Leitzins in den restriktiven Bereich zu erhöhen. Zugleich verwies er darauf, dass die Fed neben den Zinserhöhungen auch ihre aufgeblähte Bilanz abbaue. „Das ist eine ziemlich wichtige und erhebliche Rücknahme von geldpolitischer Unterstützung für die Wirtschaft.“

Auch die regionalen Fed-Präsidenten Loretta Mester (Cleveland) und Tom Barkin (Richmond) sagten am Dienstag, dass sie sich im Juni und Juli mit Erhöhungen um je 50 Punkte wohlfühlten, und sie dämpften zu­gleich Konjunkturängste.

Bundesbankchef Nagel warnte bei der Konferenz in Eltville, dass die In­flation im Euroraum im­mer mehr an Breite gewinne, dass die Lohndynamik deutlich zunehmen dürfte und dass die Inflationserwartungen be­reits anzögen. „Da die Inflation im Euroraum weiter hochgeht, müssen wir handeln. Wenn sowohl die hereinkommenden Daten als auch unsere neuen Projektionen diese Sichtweise im Juni bestätigen, werde ich für einen ersten Schritt zur Normalisierung der EZB-Zinsen im Juli plädieren.“ Zuletzt haben sich die Sig­nale für einen Juli-Schritt gemehrt. Nagel betonte, dass das Hinauszögern der Zinswende ei­ne riskante Strategie sei und das Risiko, zu spät zu handeln, klar zugenommen habe.

Skeptisch äußerte sich Nagel zu Überlegungen für ein neues EZB-In­strument, um als exzessiv angesehene Zinsabstände (Spreads) zwischen den Renditen von Staatsanleihen verschiedener Euro-Länder zu vermeiden. Dafür gebe es aktuell keine Notwendigkeit. Er signalisierte, dass er für den Notfall das 2012 aufgelegte Staatsanleihekaufprogramm OMT als geeignetes Instrument ansehe.