Leitartikel100 Tage Trump

Inszenierungen der perfekten Verwirrung

US-Präsident Donald Trump hat während seiner ersten 100 Tage mehr unternommen als viele seiner Vorgänger in vier Jahren. Trotzdem ist seine Popularität auf einen historischen Tiefstand gefallen.

Inszenierungen der perfekten Verwirrung

100 Tage Trump

Inszenierungen der Verwirrung

Von Peter De Thier

Es war ein Irrtum zu glauben, dass die zweite Amtszeit von US-Präsident Donald Trump eine Neuauflage seiner ersten vier Jahre im Weißen Haus sein würde. Wie die ersten 100 Tage von „Trump 2“ bewiesen haben, hat der 47. Präsident dazugelernt. Von 2017 bis Anfang 2021 glichen die Abläufe im Weißen Haus einem politischen Laborversuch. Die unruhigen Gewässer zwischen der 1600 Pennsylvania und dem Kapitol navigierte der Immobilienunternehmer nach dem Prinzip „Versuch und Irrtum“. 

Perfekt inszeniertes Spektakel

Als politischer Neuling, der es gelernt hatte, im Geschäftsleben seinen Willen durchzusetzen, stieß Trump immer wieder auf Grenzen, die ihm ein resilienter Rechtsstaat setzt. Der Präsident umgab sich mit Handlangern, die seine autokratischen Anwandlungen förderten. Wer Widerstand leistete, den setzte Trump vor die Tür. Auf die Konzeptlosigkeit der ersten Amtsperiode folgt nun ein perfekt inszeniertes politisches Spektakel, das komplette Verwirrung stiftet. 

Die Rechtsverstöße sind nämlich so zahlreich, dass politische Gegner gar nicht wissen, wo sie Hebel ansetzen sollen. Co-Autoren des Drehbuchs sind Dutzende von rechtsgerichteten Ideologen. In dem 900 Seiten langen Opus „Project 2025“ der Heritage Foundation liefern sie die Bedienungsanleitung für die Transformation von einem demokratischen Rechtsstaat in eine isolierte Autokratie, in der die uneingeschränkte Staatsmacht auf den Präsidenten konzentriert ist.

Kühnste Träume übertroffen

Kein Wunder, dass Paul Dans, der Chefarchitekt von Project 2025, sein Glück kaum fassen kann. Die Konsequenz, mit der Trump dessen politische Vision umsetzt, „übertrifft meine kühnsten Träume“, sagt Dans. Denn er regiert praktisch im Alleingang. Per Dekret verhängt der Präsidenten Sanktionen gegen fast alle Handelspartner. Mit einem Autogramm ordnet er die Auflösung ganzer Behörden an. 

Zudem weist der Präsident Ordnungshüter an, bei Razzien Ausländer zu verhaften und abzuschieben. Selbst dann, wenn sie legal in den USA leben und nicht vorbestraft sind. Vorschub leistet seinen Bemühungen zudem ein Verfassungsgericht, das Trump Immunität bescheinigt hat. Die Konsequenz, die er daraus zieht: Der Präsident wähnt sich nicht nur über dem Gesetz, er ist es tatsächlich. Dies zeigt sich daran, dass weder Gerichte noch der Kongress imstande scheinen, ihm die Flügel zu stutzen.  

Im Ansehen weit abgerutscht

Die Erkenntnis nach den ersten 100 Tagen: Im Ansehen seiner Landsleute ist der 47. Präsident weit abgerutscht. Umfragen zufolge war während der vergangenen 70 Jahre zu diesem Zeitpunkt keiner seiner Vorgänger so unbeliebt wie Trump. Weder billigen die Wähler seine Zölle. Sie ahnen, dass diese eine Stagflation heraufbeschwören könnten und sich wohl kaum eignen werden, die versprochene Reindustrialisierung der US-Wirtschaft voranzutreiben. Noch sind sie mit den politischen Alleingängen, den gestrichenen Sozialprogrammen oder den Folgen des Protektionismus für die Finanzmärkte einverstanden. Die Kursverluste machen sich nämlich in den Aktiendepots von Millionen Amerikanern bemerkbar.

Auch sind die Wähler längst der herausragenden Rolle des ungewählten Privatmannes Elon Musk überdrüssig. Denn das Chaos, das Musk mit seiner Sparabteilung DOGE angerichtet hat, ist immens. Das hohe Maß an Unzufriedenheit aber stört Trump nicht im Geringsten. Er regiert wie ein Alleinherrscher, der keine Abwahl zu befürchten hat. Entweder weil er 2028 mit 82 Jahren nicht mehr antreten will. Oder weil er plant, bis dahin freie Wahlen abgeschafft zu haben.

Trump unterschätzt aber die globalen Folgen seiner Politik. Verbündete erkennen, dass auf die USA kein Verlass mehr ist. Weder bei der Beendigung des Kriegs in der Ukraine noch bei dem Ausbau der Handelsbeziehungen oder der Bekämpfung des Klimawandels. Zwar hat der Präsident beschworen, dass „America First“ nicht „Amerika allein“ bedeute. Hält Trump aber an diesem Kurs fest, dann wird er das Land in eine gefährliche, neue Ara internationaler Isolation steuern. 

Mit der Umsetzung seiner „America First“-Doktrin könnte US-Präsident Donald Trump die Nation in eine neue Ära internationaler Isolation steuern.

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