Die alte Weisheit, dass politische Börsen kurze Beine haben, entspringt nicht zuletzt der Erkenntnis, dass in der Politik zwischen Ankündigung und Umsetzung in der Regel ein mehr oder minder schmerzhafter Realitätscheck erfolgt. Das ist nach der Bundestagswahl nicht anders. Nach der ausgelassenen Partystimmung, in die die potenziellen Koalitionspartner CDU/CSU und SPD die Anleger mit der angekündigten Investitionsoffensive in Verteidigung und Infrastruktur versetzt haben, sind die Börsianer am Montag reichlich verkatert aufgewacht. Der Dax ist gegenüber seinem Rekord von 23.475 Punkten im Verlauf um bis zu 3% zurückgefallen, der mittelständisch geprägte MDax lag gegenüber dem Schlussstand der Vorwoche im Verlauf um fast 2% hinten. Ausgeprägte Rücksetzer erfuhren nicht zufällig infrastrukturnahe Titel wie Siemens Energie, zeitweilig −8%, oder Heidelberg Materials, die zwischenzeitlich um fast 5% absackten. Kein Wunder: Anstelle von Investitionen in die Energieinfrastruktur ist im „Konsenspapier“ stattdessen konkret von der Deckelung der Netzentgelte die Rede.

Auch weitere Impulse bei Unternehmenssteuern und Investitionen bleiben offen, während offenbar vornehmlich soziale Wohltaten bei Renten, Mindestlohn und Pendlerpauschale die Sondierungsgespräche dominierten. Abgesehen von der teilweise vernichtenden Kritik einzelner Ökonomen an der schwarz-roten Übereinkunft dämmert den Börsianern, dass eine Zweidrittelmehrheit für die Reform der Schuldenregeln, die es braucht, um die geplante gigantische Kreditaufnahme des Bundes umzusetzen, überhaupt nicht sicher ist. Die Grünen sperren sich bisher.

Während die jüngste Euphorie den Dax in einem zuvor kaum gekannten Ausmaß von der Entwicklung im S&P 500 abgekoppelt hatte, könnte der Eindruck einer missratenen politischen Machbarkeitsstudie das Sentiment in unerfreulicher Weise wieder angleichen. Denn sie trägt ebenso wie die komplett erratische US-Zollpolitik dazu bei, dass die Anleger ständig zwischen Jauchzen und Jammern hin und her geworfen werden.