Chinas Millionencoup im Billionenspiel
KI-Rennen
Millionencoup im Billionenspiel
Chinas DeepSeek soll Resultate erzielen wie ChatGPT – und das deutlich günstiger. Der Nvidia-Investmentcase wackelt.
Eine Frage hat Investoren in den vergangenen Monaten immer wieder nervös gemacht: Wie viel KI-Hype steckt in der Tech-Rally und wie anfällig sind die Billionen-Bewertungen für negative Schocks. Am Montag gab es die wenig beruhigende Antwort: Schon leise Andeutungen, dass es anders laufen könnte als erhofft, lassen gewaltige Börsenwerte verdampfen. Für Nvidia ging es zum Wochenauftakt prozentual zweistellig nach unten. Allein bei dem Chipproduzenten, der als größter Profiteur der KI-Rally gilt, verschwanden binnen Minuten fast 400 Mrd. Dollar an Marktkapitalisierung. Das sind in Summe nur 100 Mrd. Dollar weniger, als US-Präsident Trump vergangene Woche stolz als Investition für sein Stargate getauftes Projekt zum Aufbau von KI-Infrastruktur ausgerufen hatte.
Zweifel an der US-Dominanz
Das zeigt, dass die Wetten auf das Thema längst selbst ehrgeizigste Investitionspläne in den Schatten stellen. Auslöser für den Kurssturz waren Berichte zur Leistungsfähigkeit des chinesischen ChatGPT-Rivalen DeepSeek. Das erst im Januar lancierte KI-Modul soll nicht nur ähnlich leistungsstark sein wie der bisherige Platzhirsch, sondern diese Leistungsfähigkeit auch mit deutlich schwächeren Prozessoren sowie weitaus geringerem finanziellen Einsatz erreicht haben. Das sorgt natürlich dafür, dass Zweifel an der bislang angenommenen US-Dominanz im Feld künstlicher Intelligenz zunehmen.
Doch wie valide ist die Sorge? Zumindest gibt es auch Argumente, dass die Panik der Investoren überzogen sein könnte. So ist der Zugang zu Halbleitern mit der fortschrittlichsten US-Technologie den Chinesen effektiv erst seit Herbst 2023 versperrt. DeepSeek wurde derweil auf bereits zuvor gekauften Nvidia-KI-Chips trainiert. Hinzu kommt, dass das tatsächliche Investment nicht voll transparent ist. Jedenfalls dürfte der chinesische Hedgefonds-Manager Liang Wenfeng mehr reingesteckt haben, als er suggeriert. Angeblich sollen es weniger als 6 Mill. Dollar gewesen sein. Die Entwicklungszeit wird auf nur zwei Monate beziffert. Aber die Hardware hat er bereits 2021 erworben. Dennoch ist das für Hardwarehersteller wie Nvidia eine schlechte Nachricht. Denn scheinbar wird deutlich weniger Rechenleistung für das Training von KI-Modulen benötigt als angenommen.
Im App Store die Nase vorn
Zu einem direkten Konkurrenzkampf zwischen ChatGPT und DeepSeek dürfte es – zumindest in vielen Märkten – dennoch kaum kommen. Am Montag hatte die App zwar sowohl im deutschen als auch im amerikanischen App Store die Nase vorn. Doch wenn die Vereinigten Staaten schon bei Übernahmen im Stahl-Sektor intervenieren und die Social-Media-Plattform TikTok nicht in chinesischer Hand wissen wollen, ist ein Bann der KI-Apps aus dem Reich der Mitte wohl allenfalls eine Frage der Zeit. Insbesondere, da viele US-Bürger die Sorge ihrer Regierung vor chinesischer Spionage nicht zu teilen scheinen. Schon bei Tiktok war es dem Gros der jüngeren US-Bürger schließlich entweder egal oder zumindest nicht bewusst, dass ein chinesisches Unternehmen Eigentümer der Social-Media-Plattform ist.
Europa düpiert
Der Erfolg von DeepSeek dürfte also vor allem ein Weckruf für die US-Regierung sein, dass China den Silicon-Valley-Größen im KI-Rennen dichter auf den Fersen ist als bislang angenommen. Die Trump-Administration wird ihre Bemühungen, die Chinesen von modernster Hardware fernzuhalten, wohl nur weiter erhöhen. Die Europäische Union, die sich im vergangenen Jahr noch für den AI Act selbst auf die Schulter klopfte, weil sie als erste Jurisdiktion ein Gesetzeswerk für den Gebrauch und die Entwicklung von generativer Künstlicher Intelligenz auf den Weg gebracht hatte, steht derweil düpiert da. In den USA und in China wird kreiert, in der EU wird reguliert: das Vorurteil, das auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos vergangene Woche wieder häufig zu hören war, scheint auch hier eine Bestätigung zu finden. Vor allem aber zeigt sich, dass es im Billionenspiel um KI nicht primär darauf ankommt, wie viel reingesteckt wird, sondern was dabei rauskommt. Nvidia dürfte das bewusst sein. Der Konzern hat mit Intel selbst einen Rivalen aus dem Feld geschlagen, der eine viel vollere Kriegskasse aufweisen konnte.