Das Kompetenz-Dilemma der öffentlichen Banken
Das Kompetenz-Dilemma der öffentlichen Banken
In den Aufsichtsgremien der Landes- und Förderbanken mangelt es an Expertise, kritisieren Ökonomen des Ifo-Instituts. Eine Lösung für die politische Gratwanderung bei der Besetzung bieten sie damit allerdings nicht an.
Von Jan Schrader, Frankfurt
Der Dresdner Volkswirtschaftsprofessor Marcel Thum erhält dieser Tage öfter Kritik und Anfragen aus Kreditwirtschaft und Politik. „Mehr Fachkompetenz in den Aufsichtsgremien von öffentlichen Banken könnte helfen, um künftige Krisen besser zu bewältigen“, erklärte der Wissenschaftler des Ifo-Instituts in der vergangenen Woche.
Die zentrale These lautet: Je kompetenter ein Aufsichtsgremium einer Bank besetzt ist, desto geringer ist die Gefahr von hohen Verlusten im Zuge finanzieller Schocks. Brisant: In den Kontrollgremien öffentlicher Banken ist die Finanzkompetenz demnach geringer ausgeprägt als bei privaten Instituten. Dazu hatten Thum und seine Forschungskollegen Harald Hau und Tim-Ole Radach die Zählmethode aus einer früheren Studie erneut angewendet. Immerhin stellten sie zugleich auch erhebliche Fortschritte seit 2009 fest.
Auf Nachfrage zeigen sich einige Banken irritiert – zum Teil hinter vorgehaltener Hand, zum Teil aber auch öffentlich. „Die Studienergebnisse sind in dieser Allgemeinheit für uns nicht nachvollziehbar“, teilt die DekaBank dazu mit. Das Institut in den Händen der Sparkassen verweist etwa auf Kriterien wie Nachhaltigkeit, Digitalisierung und Cybersicherheit, also Faktoren, die in der Studie nicht berücksichtigt worden sind. Auch hebt die Bank einen „breiten finanz- und kreditwirtschaftlichen Hintergrund“ im Verwaltungsrat hervor und sieht wirksame europäische Vorgaben für die Eignung der Kontrolleure. Der Konzern wird vor allem von Vertretern aus Sparkassenverbänden sowie von Vorstandsvorsitzenden einzelner Sparkassen kontrolliert.
„Kollektive“ Expertise
Der Bundesverband Öffentlicher Banken Deutschlands (VÖB) hebt hervor, dass ein Leitungsorgan „kollektiv“ über die notwendige Expertise und Erfahrung verfügen müsse – offenbar eine Kritik an der Zählweise der Forscher, die Lebenslauf für Lebenslauf mit Punkten bewertet haben, ohne auf das Zusammenspiel der beruflichen Profile zu achten. Die NRW.Bank, das Förderinstitut in Nordrhein-Westfalen, stuft einige Punkte wie US-Finanzmarkterfahrung als weniger relevant für das eigene Geschäft ein. Zudem seien viele Qualifikationen gar nicht abgefragt worden, etwa juristische Expertise im Förderkreditgeschäft oder IT-Kenntnisse.
Die Studie berührt einen wunden Punkt, denn insgesamt gleicht die Besetzung des Kontrollgremiums einem Spagat: Die öffentlichen Eigner wollen die Institute auch durch eigene Vertreter beaufsichtigt sehen, zugleich aber ist Erfahrung gefragt, denn die Erinnerung an die Finanzkrise wirkt bis heute nach.
Minister, Landräte, Sparkassen
In den Kontrollgremien von Landesbanken, die einzelnen Bundesländern und den dort angesiedelten Sparkassen gehören, sitzen typischerweise Minister aus Landesregierungen oder andere hochrangige Landesvertreter, daneben Bürgermeister und Landräte sowie Vertreter aus den Sparkassenverbänden. Darüber hinaus finden sich viele Vorstandsvorsitzende einzelner Sparkassen in den Aufsichts- und Verwaltungsräten. In den Gremien von Förderbanken wiederum sitzen viele gewählte Politiker.
Auch Experten aus anderen Fachbereiten sind vertreten, etwa Unternehmer, Berater und Fachanwälte. Wie in großen Unternehmen üblich, sind typischerweise zudem Vertreter der Arbeitnehmer in den Kontrollgremien präsent.
Spitze ist unterschiedlich besetzt
Unter all diesen Vertretern schließlich finden sich außenstehende Personen aus dem Bankmanagement – offenbar wollen die Eigner auf diese Weise den Ruf nach Expertise gerecht werden. Im Verwaltungsrat der DekaBank etwa sitzt neben den zahlreichen Vertretern einzelner Sparkassen auch KfW-Vorstand Melanie Kehr. Der ehemalige Helaba-Chef Herbert Hans Grüntker nimmt als stellvertretender Vorsitzender im Verwaltungsrat der Nord/LB Platz. Im Kontrollgremium der KfW sind unter anderem LBBW-Chef Rainer Neske und Commerzbank-Vizechefin Bettina Orlopp zu finden, im Verwaltungsrat der Landwirtschaftlichen Rentenbank sitzt zum Beispiel LBBW-Finanzvorstand Stefanie Münz.
Nur selten aber schafft es eine außenstehende Person mit Bankexpertise an die Spitze des Kontrollgremiums. So sticht die BayernLB hervor, die den ehemaligen Aareal-Bank-Chef Wolf Schumacher für diese Aufgabe gewonnen hat. Die kleinere SaarLB verpflichtete den ehemaligen BayernLB-Firmenkundenvorstand und UBS-Deutschland-Chef Jan-Christian Dreesen als Spitzenkontrolleur. Der Manager leitet heute zugleich auch den Fußballverein FC Bayern München.
Darüber hinaus sind heute zwei ehemalige Chefs der Förderbank in Baden-Württemberg, der L-Bank, an der Spitze von Verwaltungsräten zu finden. Christian Brand kontrolliert als Aufsichtsratsvorsitzender die LBBW – er blieb also in seinem Bundesland – während Axel Nawrath in führender Rolle die Investitionsbank Berlin (IBB) überwacht.
Verbandsvertreter und Politiker an der Spitze
Anderswo haben Verbandsvertreter in den Aufsichtsgremien das Sagen: Im Verwaltungsrat der DekaBank steht DSGV-Präsident Ulrich Reuter an der Spitze, die Helaba, die mehrheitlich den Sparkassen in Hessen und Thüringen gehört, wird folglich von Stefan Reuß federführend kontrolliert, also vom Geschäftsführenden Präsidenten des zuständigen Sparkassenverbands SGVHT. Eine Sonderrolle nimmt die Landwirtschaftliche Rentenbank unter den Förderbanken ein. Dort führt Joachim Rukwied, Präsident des Deutschen Bauernverbands, den Verwaltungsrat an.
Und dann stehen häufig auch Politiker an der Spitze: Niedersachsens Finanzminister Gerald Heere kontrolliert in führender Position die Nord/LB, im Verwaltungsrat der Förderbank KfW hat Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck Platz genommen, während Bundesfinanzminister Christian Lindner aktuell die Vizerolle ausübt.
„Mit Vorsicht interpretieren“
Expertise ist also in allen Kontrollgremien vorhanden – doch ist es genug? Und wer sollte den Vorsitz ausüben? Studien-Autor Thum rät im Gespräch mit der Börsen-Zeitung selbst dazu, die Ergebnisse „mit Vorsicht zu interpretieren“. Neben der Gefahr vor Finanzkrisen seien auch andere Risiken von Bedeutung, allerdings nicht im Blickwinkel der Studie, räumt er ein. Auch zu politischen Fragen, die mit der Kontrolle einer Bank einhergehen, äußert er sich nicht.
Die Autoren verweisen aber zugleich auf die Erfahrungen der Finanzkrise, als zahlreiche Banken in Deutschland hohe Verluste schrieben. Zwar waren damals private wie öffentliche Adressen betroffen. Ein statistischer Zusammenhang zwischen den Verlusten einer Bank einerseits und Kompetenz in den Kontrollgremien andererseits hat sich nach Darstellung der Autoren aber schon damals gezeigt. Auch viele andere Studien in anderen Ländern haben einen vergleichbaren Effekt nahegelegt, wie der Fachartikel ausführt. Die Methodik variiert allerdings von Fall zu Fall und die Ergebnisse sind nicht immer eindeutig.
Öffentliches Interesse
„Es besteht ein öffentliches Interesse an kompetenteren Aufsichtsräten gerade bei Banken, in denen der Staat der Haupteigentümer ist, denn hier haftet der Steuerzahler“, schlussfolgern die Autoren. Wirtschaftsprofessor Thum ist sich allerdings der politischen Gratwanderung bewusst. Als Kritik an bestimmten einzelnen Banken will er die Studie ausdrücklich nicht verstanden wissen, sagt er – eine kluge Antwort auf eine heikle Frage.