Luftverkehr

Das Pfeifen im Walde

Vier entscheidende Faktoren – Ölpreis, Zinsen, Dollar, Umweltauflagen – haben sich in jüngster Vergangenheit verschoben und zwar in eine für die Luftverkehrsindustrie unerfreuliche Richtung.

Das Pfeifen im Walde

Fluggesellschaften weltweit freuen sich derzeit über gut gefüllte Flugzeuge, Airline-CEOs bejubeln die weiter robuste Nachfrage. Auch die Warteschlangen am Flughafen Frankfurt am vergangenen Wochenende beweisen, dass nach wie vor gereist wird auf Teufel komm raus. Die während der Pandemie abgewürgte Reiselust wird nun ausgelebt, koste es, was es wolle.

Der Blick auf die Entwicklung der Nachfrage allein vernebelt indes die Sicht auf das große Ganze. Die Branche ist aktuell in einem ganz anderen Umfeld unterwegs als noch vor wenigen Jahren. Für die Unternehmen wichtige Eckdaten haben sich komplett verändert und das könnte ein profitables Wirtschaften in den kommenden Monaten schwierig machen, boomende Nachfrage hin oder her.

Vier entscheidende Faktoren haben sich in jüngster Vergangenheit verschoben und zwar in eine für die Luftverkehrsindustrie unerfreuliche Richtung. Da ist zum einen der Ölpreis, der 2022 stark gestiegen ist, und die Zinsen, die aktuell in die Höhe gehen. Zudem ist der erstarkte Dollar vor allem für nichtamerikanischen Airlines nachteilig und die aufkommenden Umweltauflagen dürften der Branche in der Zukunft mächtig zusetzen.

Dass der hohe Ölpreis die Fluggesellschaften belastet, versteht sich von selbst, sind doch die Kerosinausgaben zusammen mit den Personalkosten – die im Übrigen ebenfalls weiter steigen werden – der größte Kostenblock. Beim Bezahlen der Jet-Fuel-Rechnung fällt zudem der starke Dollar ins Gewicht, wird doch Flugbenzin ebenso wie neue Flugzeuge in der amerikanischen Währung bezahlt. Wenn diese Währung wie derzeit im Höhenflug ist, mag das noch für die Unternehmen, die auch hohe Erlöse in Dollar haben, zu stemmen sein, für Firmen etwa aus Europa wird es schwierig. Nicht umsonst trommelt beispielsweise Lufthansa-Chef Carsten Spohr für einen Ausbau des US-Geschäfts – dort wird die Nachfrage 2023 stabiler sein als in Deutschland und man füllt die Dollar-Kassen.

Die steigenden Zinsen dürften sich erst mittelfristig auswirken, wenn beispielsweise über Refinanzierung von Krediten verhandelt wird. Die Verschuldung vieler Fluglinien ist während der Pandemie exorbitant angestiegen, was heute schon die finanziellen und strategischen Spielräume einengt. Kommen steigende Zinsausgaben dazu, könnte es für viele Firmen noch brenzliger werden. Die Kombination aus anziehenden Zinsen und teurem Dollar erschwert auch den Kauf neuer Flugzeuge und das wiederum sorgt dafür, dass die Branche beim Thema Umweltschutz nicht vorankommt. Womit wir beim vierten, aber mittelfristig entscheidenden Faktor für die weitere Entwicklung wären.

Die Fluggesellschaften haben sich angesichts steigenden politischen Drucks vorgenommen, bis 2050 klimaneutral unterwegs zu sein. Das wird ein echter Kraftakt, vor allem, was die Kosten auf dem Weg zu diesem Ziel angeht. Wichtigster Hebel dürfte nachhaltig produziertes Kerosin sein, das derzeit aber nur in geringen Mengen zur Verfügung steht. Experten sind wenig optimistisch, dass Sustainable Aviation Fuel (SAF) in absehbarer Zeit in ausreichender Menge und zu einem akzeptablen Preis verfügbar sein wird. Bleiben technologische Ideen wie etwa das Wasserstoffflugzeug, an dem der Hersteller Airbus derzeit arbeitet. Solcherlei Neuentwicklungen sind ebenfalls mit hohen Kosten verbunden, die irgendwann an die Kunden aus der Airlinebranche weitergereicht werden. Im Falle Wasserstoff wäre zudem noch zu klären, wie der neue Antriebsstoff an die Flughäfen kommt, damit dort die Flugzeuge betankt werden können. Entsprechende Infrastruktur müsste erst einmal aufgebaut werden.

In dieser Gemengelage klingen die aktuellen Freudengesänge der Airline-CEOs angesichts der robusten Nachfrage ein bisschen wie das berühmt-berüchtigte Pfeifen im Walde – damit soll bekanntlich eine bedrohliche Wirklichkeit überspielt werden. Dass eben nicht nur die Zukunft für die Branche schwierig sein wird, sondern auch in der Gegenwart längst nicht alles rosig ist, zeigt der genauere Blick auf die derzeitige wirtschaftliche Entwicklung mancher Airlines. Beispiel Lufthansa: Trotz rekordhoher Ticketpreise und einer boomenden Nachfrage kommt das Passagier­geschäft nach neun Monaten auf ein negatives bereinigtes Ergebnis vor Zinsen und Steuern von fast 500 Mill. Euro. Dass konzernweit dennoch fast 1 Mrd. Euro Ergebnis zusammenkamen, ist vor allem dem florierenden Frachtgeschäft zu verdanken. Allerdings verschieben sich auch im Cargobereich gerade die Koordinaten, die Pandemie-Sondereffekte sind passé, 2023 heißt es back to normal und dann ist vermutlich auch hier Schluss mit Rekordergebnissen.

BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.