LeitartikelStaatsreform

Demokratiefeinde aus dem Tech-Milieu

Tech-Milliardäre sehnen sich nach einer ihnen angepassten Staatsform mit eher autokratischen Zügen. Demokratie muss sich das Vertrauen der Wähler neu erkämpfen. In diesem Sinne braucht es in Deutschland eine grundlegende Staatsreform.

Demokratiefeinde aus dem Tech-Milieu

Staatsreform

Demokratiefeinde aus dem Tech-Milieu

Demokratie als Grundlage eines Wirtschaftssystems muss sich das Vertrauen neu erkämpfen. Eine Staatsreform in Deutschland ist überfällig.

Von Stephan Lorz

Tech-Autokraten usurpieren die Politik weltweit. Der Unternehmer Elon Musk, der eine zentrale Position in Donald Trumps Kabinett erhalten soll, ist nur Symptom einer Entwicklung, die bereits seit längerem im Gange ist. Es geht um die Kritik, dass Demokratien zu langsam handelten und sich eine Beamtenkaste herausgebildet hätten, die nicht mehr das Gemeinwohl im Sinne habe. Selfmade-Milliardäre wollen aus einem gewissen Überlegenheitsgefühl heraus daher die Freiheit des Handelns an sich reißen – zum Wohle der Gesellschaft, wie sie sagen. Sie erschüttern zudem etablierte Vorstellungen: Ungezügelte Märkte gelten als Wert an sich, Monopole werden als Ausbund kapitalistischen Erfolges gepriesen, während staatliche Planung und Bürokratie nur das Wachstum bremsen würden. Hatte Karl Marx nicht davor gewarnt?

In den USA machte sich dieses Denkmodell im sogenannten „techno-optimistischen Manifest“ des US-Milliardärs Marc Andreessen Luft. Es setzte sich fort mit extremen Äußerungen von Investor Peter Thiel, in denen er sich für Monopole ausgesprochen hat („Wettbewerb ist nur etwas für Verlierer“). Und personifiziert wird es durch Elon Musk, der sich jetzt anschickt, zumindest Teile der Denkschule durchzusetzen. Die Hälfte der Bürokratie soll aus den Behörden herausgeschnitten, Regulierungen sollen gestrichen werden, auf dass das Wachstum der großen Konzerne nicht mehr durch Schutzrechte eingehegt werden kann.

Die Entwicklung ist auch eine Reaktion auf die Degrowth-Bewegungen und Strömungen aus dem Umweltbereich, die dem Kapitalismus insgesamt eher feindlich gegenüberstehen. Letztere wollen den Staat stärker in die Pflicht nehmen, damit er durch Umverteilung und Planwirtschaft mehr Nachhaltigkeit durchsetzt sowie Unternehmen in die Pflicht nimmt. Einige rufen sogar nach einer Öko-Diktatur.

In Europa täte sich die im Moment noch recht sektenhaft daherkommende Bewegung der US-Milliardäre, die in Trump ihren Heilsbringer sehen, wegen der gesellschaftlich heterogenen Struktur und Sozialisierung schwer. Aber das aus diesem Denken entstehende Handeln wird die Politik auch hierzulande unter Druck setzen, weil sie in Gestalt der neuen US-Administration auftritt. Und mancher hier dürfte die hemdsärmelige Macher-Attitüde Trumps durchaus schätzen im Vergleich zur schwerfälligen Demokratie europäischer Prägung.

Denn schon jetzt haben es die hoch regulierten Marktwirtschaften in Europa schwer, die aktuellen Probleme zu bewältigen. Ihre Prozesse dauern zu lange, Problemlösungen werden durch Kompromisse verwässert und bringen oft nicht die erwartete Entlastung; vielerorts ist die politische Verantwortung unklar. Bund, Länder, Kommunen, Koalitionen und Behörden schieben sich etwa in Deutschland gegenseitig den Schwarzen Peter zu. Das treibt schon jetzt Wähler in die Arme populistischer Parteien – und manche Unternehmen ins Ausland. Und nun kommt auch noch „friendly fire“ aus den USA.

Ein Umbau der demokratischen Prozesse ist insofern dringender denn je: Es braucht mit Blick auf Deutschland eine Staatsreform, die weniger Bürokratie, schnellere Prozesse, mehr Transparenz und klare Verantwortlichkeiten bringt. Vorschläge liegen längst auf dem Tisch: Es ergibt etwa keinen Sinn, globale digitale Prozesse auch noch föderal regulieren zu wollen. Ebenso wenig, dass Bund und Länder Zuständigkeiten immer weiter verwischen. Oder dass eine – auch von Bürgern über Klagen erreichte – perfektionistische „Gerechtigkeitsbürokratie“ jede neue Idee zermürbt. Und es kann nicht sein, dass sich Infrastrukturplanungen hier über Jahrzehnte hinziehen, während es im Ausland nur Monate dauert.

Nur wenn eine große, radikale Staatsreform gelingt, die politische Prozesse verschlankt, beschleunigt und zusammengefasst, kommt auch der Glaube an die liberale Demokratie als sichere Quelle von Wohlstand zurück. Dann dürfte es ihr auch leicht fallen, politische Usurpatoren aus dem Tech-Milieu abzublocken, weil sie Millionen Menschen hinter sich weiß, die auf sie zählen.