Die Dauerkrise eines Fondslieblings geht weiter
Die Dauerkrise eines Fondslieblings geht weiter
Immobilienfonds sind meist sehr gefragt. Doch immer wieder gibt es Probleme.
Von Wolf Brandes, Frankfurt
Die Finanzwelt steht seit Monaten unter Spannung: Offene Immobilienfonds, einst als überaus sichere Anlageoption für konservative Investoren beworben, geraten zunehmend in die Kritik. Nicht zum ersten Mal stellt sich nach den Schließungen und Abwicklungen von etlichen Produkten vor rund 15 Jahren erneut die Systemfrage. Die Frage also, ob Immobilienfonds mit täglicher Notierung als Privatanlegerprodukt eine vernünftige Konstruktion sind.
Hohe Zinsen, Wertverluste und der veränderte Immobilienmarkt setzen diese Produkte derzeit erheblich unter Druck. In den ersten neun Monaten des Jahres 2024 flossen allein in Deutschland rund 4 Mrd. Euro aus Immobilienfonds ab, wie der Branchenverband BVI kürzlich meldete. Fast die Hälfte dieser Mittelabflüsse entfiel auf das dritte Quartal. Der Wandel am Immobilienmarkt führt zu Turbulenzen – Anleger und Verbraucherschützer schlagen Alarm.
Zwei Fonds im Fokus
Ein markantes Beispiel für die aktuelle Entwicklung der Immobilienfonds ist Leading Cities Invest der Kanam Grund. Der Fonds, der zu einem großen Teil in Büroimmobilien investiert, musste jüngst erneut eine erhebliche Abwertung hinnehmen, nachdem der Hauptmieter einer Fondsimmobilie im Pariser Vorort Nanterre ausgezogen war. Dies führte dazu, dass der Anteilspreis des Fonds nochmals deutlich sank. In den vergangenen zwölf Monaten kommt der Fonds damit laut Scope auf ein Minus von 18%.
Hintergrund ist oft, dass Investoren ihre Anteile kündigen und das Fondsmanagement Liquidität braucht. Ein weiteres Beispiel ist die Sonderabwertung des UniImmo Wohnen ZBI im Juni dieses Jahres. Der Fonds liegt damit auf Jahressicht bei minus 21%. Solche Abwertungen haben dann in der Branche deutliche Kapitalabflüsse zur Folge.
Risikobewertung umstritten
Die Verbraucherschützer kritisieren die Risikoangaben bei offenen Immobilienfonds. Die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg hat Klage gegen die ZBI Fondsmanagement, eine Tochter von Union Investment, eingereicht. Grund dafür ist die Abwertung des UniImmo Wohnen ZBI, die Anleger unvorbereitet traf und eine Wertminderung von 1 Mrd. Euro bedeutete. Laut Basisinformationsblatt wurde der Fonds mit einem Risikoindikator von „2“ eingestuft – eine Bewertung, die die Verbraucherschützer für irreführend halten. „Dass offene Immobilienfonds die gleiche oder sogar eine niedrigere Risikokennzahl haben als ETFs auf kurzfristige deutsche Staatsanleihen, ist geradezu absurd“, sagt Niels Nauhauser von der Verbraucherzentrale.
Die Fondsgesellschaft Union Investment argumentiert, dass die Risikoangaben im Einklang mit dem geltenden Recht stünden. Doch Verbraucherschützer sagen, dass ein Risikoindikator von „6“ realistischer wäre, um vor potenziellen Verlusten zu warnen. Laut Nauhauser täuschen die bisherigen Risikokennzahlen über die eigentliche Unsicherheit dieser Anlagen hinweg und schaffen eine trügerische Sicherheit.
Privatanleger raus
Der Fonds Schroders Immobilienwerte Deutschland, ursprünglich für private und institutionelle Anleger konzipiert, stellte jetzt Rücknahmen ein. Hintergrund seien die gestiegenen Bau- und Finanzierungskosten, die laut Anbieter Schroders dazu führen, dass der Fonds für Privatanleger nicht mehr rentabel betrieben werden könne. Eine Umstrukturierung in einen Spezialfonds soll den Bestand langfristig sichern, die Beteiligungsmöglichkeiten für private Anleger werden damit jedoch eingeschränkt.
Die Entwicklung bei offenen Immobilienfonds bleibt aus Sicht vieler Beobachter spannend. Für Fondsmanager ist die aktuelle Marktlage eine Herausforderung – wenn Immobilien verkauft werden müssen, um liquide Mittel bereitzustellen, könnten die Bewertungen unter Druck kommen. Antje Schiffler von der Analysefirma Morningstar beschreibt die Lage als „durchwachsen“ und rechnet damit, dass der Abwärtstrend nicht sofort gestoppt werden kann.
Schlechtere Ratings
Die Abwertungstrends zeigen sich auch bei den Fondsbewertungen. Das Analysehaus Scope senkte kürzlich das Rating für elf der 21 offenen Immobilienfonds in Deutschland. Fonds, die in der Hochpreisphase von 2019 bis 2022 Immobilien erworben haben, seien von Abwertungen besonders stark betroffen. „Die jüngsten Abwertungen sind nicht geeignet, das Vertrauen der Anleger zu stärken“, kommentiert auch Fondsexperte Björn Drescher. Zugleich betont er, dass es für Anleger derzeit kaum Anreize gebe, angesichts der Renditen solcher Fonds einzusteigen. „Wenn Anleger ihr Geld so lange anlegen, dürfen sie eine Illiquiditätsprämie erwarten. Doch die Rendite, die die Fonds zuletzt geboten haben und die in absehbarer Zeit zu erwarten scheint, stellt keinen zusätzlichen Anreiz über die risikolose Marktrendite hinaus dar.“
Verbraucherschützer äußern Bedenken, dass Banken offene Immobilienfonds oft risikoscheuen Anlegern als sichere Investition empfehlen. Eine Analyse des Verbraucherportals Finanztip rät Anlegern explizit, über einen Verkauf nachzudenken. „Gerade in der letzten Zeit sind die Risiken gestiegen und die Renditen gesunken“, heißt es in einem Ratgeber-Artikel.
Kritik von allen Seiten
Die Initiative Finanzwende sieht diese Entwicklung ebenfalls kritisch und betont, dass das ursprüngliche Versprechen der Fonds, eine sichere Geldanlage darzustellen, bröckelt. Die sinkenden Immobilienpreise und der Kapitalabfluss setzen die Fonds unter Druck, weitere Abwertungen könnten folgen.
Für Finanzwende verschleiern die Risikokennzahlen vieler Fonds ebenfalls die tatsächliche Volatilität und machen sie für risikoscheue Anleger attraktiver, als sie in Wirklichkeit sind. „Immobilien verkaufen sich aber nicht wie warme Semmeln“, so Finanzwende mit Hinweis auf die schwierigen Immobilienmärkte. Wenn Fonds verkaufen müssen, sinkt in der Regel der Preis, da es kaum Käufer für größere Immobilienobjekte gibt.
Die offenen Immobilienfonds stehen vor strukturellen Herausforderungen, und auch eine Debatte um Falschberatungen nimmt zu. Das zeigt sich im Fall der Kanzlei Goldenstein, die im September eine Klage gegen die Volksbank Böblingen einreichte. Eine Anlegerin war bei der Bank in einen Immobilienfonds investiert, der ihr laut Kanzlei als sichere Anlage empfohlen wurde. „Während des Beratungsgesprächs hat die Anlegerin klar kommuniziert, dass sie mit ihrem Investment kein Risiko eingehen möchte“, erklärte die Kanzlei. Derartige Fälle könnten in Zukunft häufiger auftreten, da die Transparenz der Risikoinformationen immer stärker infrage gestellt wird.
Nicht das Ende der Fonds
Einige Experten wie Sonja Knorr von Scope Fund Analysis halten dennoch an der Anlageklasse fest und sehen offene Immobilienfonds weiterhin als nützlichen Baustein in einem diversifizierten Portfolio. „Auch wenn zurzeit Netto-Mittelabflüsse erkennbar sind, ist das nicht das Ende der Anlageklasse offene Immobilienfonds“, betont Knorr.
Für Scope-Expertin Knorr stellt sich die Systemfrage nicht. Eher sei es eine Durststrecke, denn in Zeiten, in denen Anleger vermehrt nach Alternativen suchen, bleibe unklar, ob die Rendite der Fonds die Konkurrenz zu höher rentierenden Anlageformen überstehen kann.
Sicherheit auf dem Prüfstand
Anleger, die sich für offene Immobilienfonds interessieren, sollten in Anbetracht der Marktlage sorgfältig abwägen, so Knorr. Die Illusion einer risikofreien Anlage sei aber längst passé. Kritiker halten dagegen daran fest, dass die Fondsgesellschaften die Risiken nicht ausreichend transparent darstellen und konservativen Anlegern eine falsche Sicherheit vermitteln. Die Politik hatte vor Jahren mit Halte- und Kündigungsfristen reagiert, doch das Grundproblem – illiquide Sachwerte in einem volatilen Marktumfeld – bleibt bestehen. Ungeachtet dessen scheint sicher: Die viel beschworene Sicherheit offener Immobilienfonds steht mehr denn je auf dem Prüfstand.