BlickfeldRoms Einfluss in der Wirtschaft

Die Krake Rom steckt ihre Arme immer tiefer in die Wirtschaft

Die diversen italienischen Regierungen haben den Staatseinfluss in der Wirtschaft vor allem seit 2012 massiv ausgeweitet.

Die Krake Rom steckt ihre Arme immer tiefer in die Wirtschaft

Staatliche Einflußnahme

Die Krake Rom steckt ihre Arme immer tiefer in die Wirtschaft

Unter Regierungschefin Giorgia Meloni mischt sich die Regierung ungeniert in Unternehmen ein.

Von Gerhard Bläske, Mailand
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Der italienische Staat hat seinen Einfluss auf die Wirtschaft seit 2012 massiv ausgeweitet. Diese Entwicklung hat sich unter der seit Oktober 2022 regierenden Premierministerin Giorgia Meloni zuletzt sogar noch deutlich verstärkt. Über die so genannte Golden-Power-Regelung, die inzwischen auf fast die gesamte italienische Wirtschaft ausgeweitet worden ist, kann praktisch jede unliebsame Übernahme verhindert werden – und zwar unabhängig davon, ob es sich bei dem potenziellen Käufer um ein amerikanisches, deutsches, französisches oder italienisches Unternehmen handelt.

Beim Reifenkonzern Pirelli wurden 2023 die Rechte des chinesischen Großaktionärs Sinochem (37%) mit Hilfe Roms massiv beschnitten. Für strategische Entscheidungen braucht es eine Vier-Fünftel-Mehrheit. Auch der Zugang des Aktionärs zu sicherheitsrelevanten Informationen wurde massiv begrenzt. Nun drängt Executive Vice President Marco Tronchetti Provera darauf, dass die Chinesen ihren Anteil auf unter 26,4% reduzieren. Dann wäre seine Holding Camfin größter Anteilseigner. Tronchetti Provera will so Sanktionen in den USA verhindern. Washington schließt von 2027 an Unternehmen mit russischen und chinesischen Großaktionären aus, wenn sie sicherheitsrelevante Technologien verwenden. Pirelli könnte damit die besonders rentablen High-Tech-Reifen, die über Sensoren Infos an die Fahrer übermitteln und auch eine Geolokalisation erlauben, nicht mehr in den USA verkaufen.

Auch dass die mehrheitlich staatlich kontrollierte Post (Poste Italiane) mit 24,8% größter Aktionär bei Telecom Italia (TIM) werden konnte, ist ein Beispiel für staatlich initiierte Wirtschaftspolitik. Ohne Roms tätige Mithilfe wäre das nicht möglich gewesen. Es entsteht nun ein teilstaatlicher Konzern, der außer im Versicherungs-, Finanz- und Logistiksektor auch in der Telekommunikation führend ist.

Vivendi herausgedrängt

Der bisherige TIM-Großaktionär Vivendi wurde herausgedrängt. Rom hatte 2022 schon eine Übernahme von TIM durch KKR verhindert. Stattdessen durfte KKR 2024 die von TIM abgetrennte Festnetzsparte übernehmen, musste aber akzeptieren, dass der Staat 16% an der neuen Einheit übernimmt.

Ein weiteres Beispiel für staatliche Interventionen ist die 2017 mit einer staatlichen Kapitalspritze von 5,4 Mrd. Euro gerettete Bank Monte dei Paschi di Siena (MPS), für deren Rettung der Steuerzahler insgesamt mehr als 7 Mrd. Euro aufbrachte. Nun will das erst seit 2023 wieder schwarze Zahlen schreibende Institut mit Unterstützung der Regierung sowie ihr sehr nahe stehende Unternehmer wie Francesco Caltagirone und Delfin (EssilorLuxottica-Großaktionär Del Vecchio) die Mediobanca sowie deren Beteiligung, die Versicherung Generali, übernehmen. Rom, das noch fast 12% der MPS-Anteile hält, unterstützt das Übernahmevorhaben, das die meisten Analysten für strategisch wenig sinnvoll halten.

Ungenierte Einmischung

Beim Halbleiterhersteller STMicroelectronics, an dem Rom und Paris eine paritätische Beteiligung von insgesamt 27,5% halten, drängt Italiens Regierung massiv auf die Ablösung von CEO Jean Marc Chery, dessen Mandat erst 2024 verlängert worden war. Der Vorwurf: Chery bediene vorwiegend französische Interessen – eine Behauptung, die sich so nicht aufrechterhalten lässt. Zuvor war maßgeblich auf Betreiben Roms der Chef des franko-italienischen Autokonzerns Stellantis, Carlos Tavares, geschasst worden.

Rom mischt sich immer ungenierter ein. Die Regierung ist etwa auch gegen das geplante paritätische Joint Venture zwischen Generali und der französischen Natixis im Bereich des Asset Managements. Die Argumente sind fadenscheinig. Angeblich geht es um nationale Interessen, die verteidigt werden müssen. Dieses Argument wird immer wieder herangezogen.

Die italienische Regierung kann über die Golden-Power-Regel fast jede unliebsame Übernahme unterbinden. De facto kommt das relativ selten vor. Doch viele potenzielle Investoren verzichten schon im Vorfeld auf Angebote – so wie jüngst etwa die französische Iliad und CVC, die an einem Einstieg bei Telecom Italia interessiert waren.

Teilausstieg

Zwar hat Rom auch Privatisierungen vorgenommen und die Beteiligung etwa an der MPS reduziert sowie die langjährige Krisenairline Alitalia bzw. heutige Ita Airways an die Lufthansa verkauft. Doch da gab es keine Alternative, weil die EU den Verkauf der MPS vorschrieb und weitere Hilfen für die defizitäre Ita nicht mehr genehmigen wollte. Auch bei der Post ist immer wieder von einem Teilausstieg Roms die Rede: Bedingung ist aber, dass der Staat die Mehrheit behält.

Gleichzeitig hat Rom den Staatseinfluss auch anderswo ausgeweitet. Der tief verschuldete und notorisch defizitäre Stahlhersteller Acciaerie d`Italia (früher Ilva) wurde zunächst wieder verstaatlicht und soll nun erneut (teil)privatisiert werden, was indes ohne neue staatliche Hilfen unrealistisch ist. Entweder direkt oder indirekt über die mehrheitlich staatliche Förderbank Cassa Depositi e Prestiti (CDP) hat Rom in den letzten Jahren Beteiligungen an der französisch dominierten Mehrländerbörse Euronext und am Zahlungsdienstleister Nexi erworben sowie die Autobahngesellschaft Autostrade per l`Italia (Aspi) re-verstaatlicht. Ohnehin hält die italienische Regierung teilweise sehr umfangreiche Beteiligungen an Unternehmen: Neben den schon erwähnten STMicroelectronics, Monte dei Paschi, Post und Telecom Italia sind das etwa der Mineralölkonzern Eni, der Versorger Enel, der Erdöl-Zulieferer Saipem, der Baukonzern WeBuild, der Schiffbauer Fincantieri, der Rüstungskonzern Leonardo und viele andere mehr. Angeblich will Rom nun auch beim Nuklearunternehmen Newcleo mit etwa 200 Mill. Euro einsteigen.

Das Verhalten Roms erinnert dabei stark an „Stamokap“ (Staatsmonopolkapitalismus) und hat eine lange Tradition im Land. Die im Faschismus gegründete Holding Istituto per la Ricostruzione Industriale (IRI) kontrollierte bis Anfang der 90er-Jahre des 20. Jahrhunderts einen Großteil der italienischen Industrie. Dem Niedergang großer Industriekonzerne wie Montedison, Falck, Italsider, Olivetti oder Fiat konnte die Regierung aber letztlich trotzdem nichts entgegensetzen.

Einfluss aufs Management

Trotz dieser negativen Beispiele versucht Rom den Einfluss auf die Wirtschaft auszuweiten. Das zeigt sich auch bei der Berufung der Spitzenpositionen in Staatsunternehmen: Ausschlaggebend ist dabei oft weniger die Kompetenz als vielmehr die parteipolitische Ausrichtung der Manager. Eine besonders wichtige Rolle spielt die CDP: Sie refinanziert sich über die Spareinlagen von 590 Mrd. Euro der Italiener bei der Post und streckt ihre Arme, wie eine Krake, in eine Vielzahl von Sektoren der Wirtschaft aus. Die CDP spielt auch eine wichtige Rolle bei der Finanzierung von Start-ups, Infrastrukturprojekten oder der Exportförderung.

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