Die Märkte sind noch sehr sorglos
Verschuldung
Sorglose Märkte
Die Verschuldung von Staaten, Unternehmen etc. ist auf Rekordhöhe. Die Finanzmärkte nehmen das gelassen, geradezu sorglos hin.
Von Kai Johannsen
Rekorde – auch an Finanzmärkten – sind ja normalerweise ein Grund zum Feiern, zumindest für diejenigen Anleger, die auf der richtigen Marktseite positioniert sind. Dax-Rekorde werden somit meist positiv wahrgenommen, ebenso Goldpreisrekorde oder Bitcoin-Allzeithochs. Bedenklich stimmen sollten dagegen schon Rekorde im Schuldenbereich bzw. an den Märkten für Schuldtitel wie Anleihen etwa von Staaten und Unternehmen. Rekorde dort könnten schon zur Belastung für die Märkte werden, und genau dieses Phänomen wird auch immer wieder auf internationalen Kapitalmarktkonferenzen thematisiert: Die Märkte und dabei zuallererst der Bondmarkt nehmen den Anstieg der weltweiten Verschuldung auf immer neue Hochs zwar wahr, stufen es aber – noch – nicht als ein ernst zu nehmendes Problem ein.
Rekordniveau erreicht
Gemäß dem Global Debt Monitor des Institute of International Finance (IIF), der die Summe der Schulden von Staaten bzw. Regierungen, des Finanzsektors, des Unternehmensbereiches und der Haushalte misst, liegt die globale Verschuldung per Jahresmitte bei 312 Bill. Dollar – die Billion im deutschen Sinn. Das ist Rekord! Sie stieg um 2,1 Bill. Dollar in den ersten sechs Monaten dieses Jahres. Und das IIF geht von einer anhaltenden Auftürmung der globalen Schulden aus, etwa bei den Staaten. Sie kommen aktuell auf 92 Bill. Dollar ausstehende Schuldenlast, nach Schätzungen des IIF werden es 2030 wohl 145 Bill. Dollar sein, um dann 2050 beim Top-Wert von 440 Bill. Dollar zu landen. Zum Vergleich: Der Bund hat ausstehende Kapitalmarktschulden von aktuell rund 1,9 Bill. Euro.
Aber warum werden die Schulden weiter steigen, und zwar so kräftig? Das hat mehrere Gründe. Anstehende Konjunkturprogramme oder Infrastrukturinvestitionen etc., die von Staaten in Gang gesetzt werden, werden in ihrer Höhe konsequent unterschätzt. Das weiß praktisch jeder Bürger, dass staatliche Projekte am Ende immer teurer werden, als anfangs veranschlagt wurde. Da die öffentlichen Kassen in den meisten Regionen dieser Welt doch ziemlich leer sind, muss nachfinanziert werden. Auch der Spardrang von Finanzministern bzw. Regierungen ist ja vielerorten nicht sonderlich ausgeprägt, es liegt also eine geringe Ambition vor, Ausgabedisziplin und Schuldenabbau anzustreben. Hinzu kommt auch eine Altlast: In Zeiten der Null- und insbesondere Negativzinsen erschien es aus Sicht eines Finanzministers ja geradezu ökonomisch sinnvoll, Schulden zu machen, schließlich musste man auf 100 Geldeinheiten Schuld weniger als 100 Geldeinheiten zurückzahlen. Mit dem Schuldenmachen ließ sich Geld für die Staatskasse verdienen, immerhin für manche Adressen über eine Dekade lang. Nachteil: Der Schuldenballast wurde größer. Und große Schuldennationen wie etwa die USA werden in den kommenden Jahren auch weiter zum Schuldenberg beitragen, denn die Programme der neuen Regierung werden Schulden nach sich ziehen, ob nun unter Trump oder Harris. Rating-Diskussionen werden anhalten.
Blaupause Staatsschuldenkrise
Aber was passiert, wenn sie doch mal zum Marktthema wird, die globale Rekordverschuldung? Eine Blaupause liefert die Staatsschuldenkrise. Das Alarmsignal dürfte sein, wenn am Primärmarkt, also bei der Emission von Anleihen, und darüber wird nun mal der Löwenanteil der Verschuldung von Staaten und Unternehmen gestemmt, schlechtere Adressen langsam vom Markt abgeschnitten werden. Das geschah im Fall von Griechenland ab 2010 vom langen Marktende her. Das Kind ist dann in den Brunnen gefallen, wenn solche Adressen auch in der kurzen Frist – zum Beispiel auf Sicht von vier Wochen – entweder kein Geld mehr bekommen oder es ihnen nur noch zu Wucherzinsen angeboten wird. Vorstellbar wäre, dass zögerliches Kreditvergabeverhalten einmal bei High-Yieldern im Unternehmensbereich einsetzt. Aber ist das aktuell vorstellbar? Fed, EZB & Co sind in diesem Jahr in den Lockerungsmodus übergegangen, das bedeutet ja gerade, dass die Refinanzierungslast neuer Schulden nicht schwerer, sondern leichter wird. Die Zinssenkungen dürften somit das Schuldenauftürmen weiter begünstigen. Und wie reagieren Anleger im Extremfall? Ein Diskussionsteilnehmer einer Kapitalmarktkonferenz beschrieb es mal so: Dann rennen alle auf einmal gleichzeitig mit einem riesigen Koffer durch dieselbe Tür. Das crasht!