London

Die Nöte der königlichen Hoflieferanten

Mit dem Tod von Elizabeth II. sind die Titel von mehr als 600 königlichen Hoflieferanten erloschen. Ihr Nachfolger dürfte stärker auf Nachhaltigkeit und Umweltfreundlichkeit achten.

Die Nöte der königlichen Hoflieferanten

Der Tod von Elizabeth II. hat im Vereinigten Königreich erhebliche Auswirkungen auf die Wirtschaft – weit mehr als man angesichts der weitgehend symbolischen Rolle des Königshauses erwarten sollte. So nutzte die Bank of England die Gelegenheit, ihre eigentlich für diesen Donnerstag vorgesehene Zinsentscheidung wegen der nationalen Trauerphase um eine Woche zu verschieben. Das ermöglicht den Geldpolitikern, weitere Konjunkturdaten zu berücksichtigen. Ihr Begräbnis bringt den Briten einen weiteren Feiertag, nachdem schon ihr Thronjubiläum in diesem Jahr für arbeitsfreie Tage gesorgt hatte. Allerdings dürfte die Bestattung das Land in weit größerem Umfang lahmlegen als ein gewöhnlicher Bank Holiday.

Zahlreiche Einzelhändler, die ansonsten davon profitieren, dass ihre Kunden frei haben, werden ihre Pforten schließen – einerseits aus Respekt vor der Queen, andererseits um ihren Mitarbeitern zu ermöglichen, das Begräbnis im Fernsehen mitzuverfolgen. Andere Betriebe wie Autowerkstätten, Restaurants und Sportstudios schlossen sich an. Entsprechend schwach dürfte das Bruttoinlandsprodukt für den September ausfallen. Die Royal Mail musste verunsicherte Kunden berücksichtigen, die fürchteten, Briefmarken mit dem Konterfei der Königin könnten ihre Gültigkeit verlieren. Viele Briten werden nun hoffen, dass auf den Geldscheinen, die eine jugendlich wirkende Elizabeth II. ziert, künftig nicht das Antlitz von Charles III. zu sehen sein wird.

Hoflieferanten der britischen Krone werden nicht damit davonkommen, auf den Verpackungen ihrer Produkte allein den Satz „By Appointment to Her Majesty The Queen“ unter dem königlichen Wappen zu ändern. Wie der Website der Royal Warrant Holders Association zu entnehmen ist, erlöschen die Titel mit dem Tod des Monarchen, der sie erteilte. Mehr als 600 Royal Warrants sind davon betroffen. Die Firmen, die sie bislang verwendeten, müssen sich jetzt erneut bewerben, können aber das königliche Wappen noch zwei Jahre lang verwenden, vorausgesetzt dass es zu keinen wesentlichen Veränderungen bei ihnen kommt. Es handelt sich dabei nicht nur um Hersteller irgendwelcher Luxusprodukte, sondern um Produzenten von Erzeugnissen, die sich in zahllosen Kühlschränken, Vorratsräumen und Badezimmern im ganzen Land finden lassen. Dazu gehört die von Heinz produzierte braune Würzsoße HP Sauce, von der viele Briten nicht wissen, dass sie nach den Houses of Parliament benannt wurde. Ihr Erfinder Frederick Gibson Garton wollte auf diese Weise Ende des 19. Jahrhunderts klarmachen, dass es sich bei seinem Produkt um ein ganz besonders feines handelt. Heinz beliefert die königlichen Haushalte seit 1951. Der US-Konzern verfügte über seinen einstigen englischen Lizenznehmer HP Foods über gute Kontakte bei Hofe. HP Foods gehörte unter anderem Lea & Perrins, die einst die Worcestershire Sauce auf den Markt brachte. Wie die BBC ermittelte, lieferte Lea & Perrins 1924 eine Miniaturflasche HP Sauce für das Puppenhaus der Kinder in Windsor Castle. Auch Tee von Twinings, Zucker von Tate & Lyle und Schokolade von Cadbury tragen das königliche Wappen. Nicht wenige Produkte, die mit der Queen verbunden waren, fallen in die Kategorie Luxus. So gehörte etwa das Nobelkaufhaus Fortnum & Mason und der Edelsupermarkt Waitrose (John Lewis Group) zu ihren Lieferanten. Auch sieben Champagnerhersteller finden sich auf der Liste, darunter Bollinger.

Viele Hoflieferanten dürften demnächst ihre Leistungen in Sachen Nachhaltigkeit und Umweltschutz in den Vordergrund rücken. Schließlich sind das die Themen, von denen man glaubt, dass sie beim neuen König hoch im Kurs stehen. Dem militanten Nichtraucher wird nachgesagt, dafür gesorgt zu haben, dass der Tabakkonzern Gallaher (Benson & Hedges) 1999 nach 122 Jahren den Titel als Hoflieferant verlor. Die 180 Warrants, die Charles in seiner Zeit als Prince of Wales verteilt hat, erlöschen übrigens nicht. Ihre Träger müssen sich also keine Sorgen machen. Das zweite elisabethanische Zeitalter ist vorbei. An seinem Ende steht eine Wirtschaftskrise, die ihresgleichen sucht. Sie wird in den kommenden Jahren nicht nur die Hoflieferanten von Charles III. in Atem halten.

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