London

Die Seufzerbrücke von Hammersmith

Der britische Premier hat ein Faible für Brücken – nur die Sanierung der baufälligen Hammersmith Bridge scheint ihm nicht attraktiv genug.

Die Seufzerbrücke von Hammersmith

Der britische Premierminister Boris Johnson hat immer wieder mit ambitionierten Plänen für Brücken von sich reden gemacht. Er wollte nicht nur den Ärmelkanal überbrücken. Nordirland und Schottland sollten durch eine von den Medien „Celtic Crossing“ getaufte Straßen- und Eisenbahnbrücke verbunden werden. Schon als Londoner Bürgermeister begeisterten ihn architektonische Verrücktheiten dieser Art. Die extravagante „Garden Bridge“, eine begrünte Fußgängerbrücke, deren Planung er noch in Auftrag gegeben hatte, wurde jedoch von seinem Nachfolger Sadiq Khan nach Abwägung von Kosten und Nutzen gestoppt.

Für die dringend nötige Reparatur der Hammersmith Bridge hatte Johnson dagegen keine Zeit. Dabei wäre es an der Zeit gewesen, die von Joseph Bazalgette entworfene schmiedeeiserne Hängebrücke über die Themse aus dem 19. Jahrhundert zu sanieren. Natürlich ist sie nicht für den heutigen Straßenverkehr ausgelegt, schon gar nicht für den Schwerlastverkehr und Busse. Aber die Renovierung einer Straßenbrücke ist eben keine besonders glamouröse Angelegenheit. Khan bereitet das Thema schon lange Kopfzerbrechen. Neben dem Denkmalschutz ist auch die Frage, wer für die Kosten aufkommen soll, ein großes Problem.

Seit zwei Jahren ist die Brücke nun bereits für den motorisierten Verkehr gesperrt, weil Risse in den riesigen Säulenfüßen aufgetreten waren, von denen die Struktur getragen wird. Seitdem herrscht im benachbarten Putney allmorgendlich ein noch größeres Verkehrschaos, weil 4 000 Fahrzeuge zusätzlich über die Putney Bridge, den nächstgelegenen Übergang, wollen. Nachdem sich die Risse während einer Hitzewelle im vergangenen Sommer ausgeweitet hatten, wurde die Hammersmith Bridge auch für Fußgänger und Radfahrer geschlossen – ein gutes Beispiel für das zuweilen übervorsichtige Vorgehen der britischen Verwaltung. Seitdem finden sich vielleicht spätabends noch ein paar Skater ein, die sich freuen, so viel Platz zum Üben zu haben. Für Menschen, die auf der einen Seite leben und auf der anderen arbeiten oder zur Schule gehen, ist die Brücke jedoch zur Seufzerbrücke geworden. Wege, die zuvor in zehn Minuten zu Fuß bewältigt werden konnten, nehmen nun eine Dreiviertelstunde mit dem Fahrrad in Anspruch – oft auf unbeleuchteten Wegen. Zu den Gefahren, die dort drohen, gehören Raser, die Schleichwege nutzen, um schneller voranzukommen, und Hochwasser. Nicht einmal die Fährverbindung, die beide Ufer übergangsweise miteinander verbinden sollte, gibt es schon. Thames Clippers steht zwar bereits als Betreiber fest, aber die Anleger wurden noch nicht gebaut.

von Labour regierten Bezirk Hammersmith & Fulham, der sich die auf mehr als 140 Mill. Pfund veranschlagte Sanierung nicht leisten kann. Der öffentliche Nahverkehrsbetreiber Transport for London (TfL) wäre ebenfalls in der Pflicht, steht aber wegen des im vergangenen Jahr zusammengebrochenen Passagieraufkommens vor der Zahlungsunfähigkeit. Rund um das Debakel fanden allerlei politische Positionierungsversuche statt. Shaun Bailey, der konservative Kandidat bei den Bürgermeisterwahlen, fuhr mit seinem Tourbus vor. Doch seine Anhänger hatten sich unglücklicherweise am anderen Ufer der Themse versammelt. Verkehrsminister Grant Shapps richtete eine Taskforce ein, die auch noch keine Lösung produziert hat. Doch blieben ihm peinliche Bilder erspart. Shapps will die Bewohner von Hammersmith und Fulham durch höhere Steuern an den Kosten beteiligen. Der Bezirk hat dagegen eine Maut von 3 Pfund vorgeschlagen. Diese Woche könnte es Fortschritte in den Verhandlungen geben, denn im Ringen um die Zukunft von TfL steht eine Entscheidung an. Bislang wurden mehr als 4 Mrd. Pfund in den Nahverkehrsbetreiber gepumpt. Shapps dürfte für weitere Zusagen schmerzhafte Einschnitte verlangen, hoffentlich auch mehr Einsatz bei der Sanierung der lange vernachlässigten Brücke. Sie wurde in einer Zeit errichtet, in der nicht versucht wurde, allerorten zu sparen. Sonst hätte sie vielleicht die drei Versuche irischer Nationalisten, sie in die Luft zu sprengen, nicht überstanden. Vermutlich wäre sie bereits unter der Verkehrslast zusammengebrochen.