Donalds Trumpf
Handelsstreit
Donalds Trumpf
Von Detlef Fechtner
In Brüssel tauchen in fast jeder Debatte über den Handelskonflikt zwei Zitate auf. Eines lautet „Störe Deinen Feind nie, wenn er gerade Fehler macht“ − und wird Napoleon zugeschrieben. Das andere: „Zwei Drittel aller Schüsse in einem Handelskrieg gehen ins eigene Knie“ − und stammt von irgendeinem Politiker. Aber Mark Twain oder Oscar Wilde haben es gewiss auch schon mal gesagt.
Das erste Zitat beschreibt die − zumindest bislang recht erfolgreiche − Strategie der EU-Kommission. Präsidentin Ursula von der Leyen hat auf die Provokationen von US-Präsident Donald Trump recht gelassen reagiert. Etwa, indem sie auf die zwischenzeitliche „20-Prozent-auf-alles“-Ansage mit ihrer „Zero-for-zero“-Offerte reagiert und damit die USA sofort wieder unter Handlungsdruck gesetzt hat. Das trägt dazu bei, dass die EU selbstbewusster in den 90-Tage-Poker gehen kann − zumal Trump, verunsichert durch den Ausverkauf am Anleihemarkt, nicht mehr so vorlaut auftritt wie noch vor kurzem.
Eskalation dosiert abwägen
Das zweite Zitat gilt als Mahnung zur Umsicht bei Gegenmaßnahmen. Die EU sollte nicht der Versuchung erliegen, sich aus verletzter Eitelkeit auf politische Muskelspiele einzulassen. Beleidigt sein ist nun einmal keine diplomatische Kategorie. Und die wirtschaftlichen Risiken, die mit einer fahrlässigen Eskalation des Handelskonflikts verbunden wären, sind viel zu gravierend, um sie kollateral in Kauf zu nehmen. Daher heißt die Losung: Wenn Eskalation, dann nur dosiert − oder wenigstens kalkuliert. Dabei sind drei Kriterien entscheidend. Erstens die − wie sie im Bürokraten-Esperanto genannt wird − Substitutionselastizität. Gegenzölle sollte die EU idealerweise nur auf Produkte oder Dienste erheben, die sie aus anderen Ländern in ausreichendem Umfang beziehen kann, etwa Soja oder Motorräder. Zweitens der „Wo-es-Trump-besonders-wehtut“-Ansatz. Gegenmaßnahmen sollten vor allem die treffen, die enge Bande mit der US-Regierung haben. Drittens das Prinzip fairer Aufteilung der Risiken in der EU. Gegenmaßnahmen, die etwa absehbar ausschließlich Landwirten und Winzern das transatlantische Geschäft erschweren, würde die EU-Kommission mit Rücksicht auf Frankreich nicht anwenden.
Struktureller Schwachpunkt
Dass Europa damit einen strukturellen Schwachpunkt hat, ist gerade aktuell zu beobachten. Die Bundesregierung äußert − durchaus zu Recht − Vorbehalte gegen eine Digitalsteuer oder Digitalabgabe als Strafmaßnahme gegen US-Digitalkonzerne, wie sie die EU-Kommission erwägt. Berlin warnt, dass hiesige Unternehmen in die Bredouille geraten, wenn sie nicht mehr auf die Datencenter, Cloud-Dienste und KI-Services von Google & Co. zugreifen können. Dieses Problem dürfte vor allem Maschinenbauer treffen. Insofern sind die Mahnungen auch Ausdruck der Sorge, dass EU-Gegenmaßnahmen insbesondere zu Lasten der deutschen Industrie gehen könnten.
Aus EU-Sicht drängen sich zwei Empfehlungen für die Verhandlungen mit den USA auf. So sollte die EU ihr Augenmerk verstärkt darauf richten, was sie den USA positiv anbieten kann − auch, weil es einfacher sein dürfte, darüber Einigkeit herzustellen als über Gegenzölle. Eine stärkere Risikoorientierung der EU-Chemikalien-Vorgaben etwa könnte in Europa eine Mehrheit finden − und dürfte zugleich Dow und Dupont gefallen, wäre also ein echtes Pfund im EU-US-Poker. Ähnliches gilt für Anpassungen am AI Act, der ohnehin vielen in der EU als korrekturbedürftig gilt.
Zankapfel Digitalsteuer
Spielentscheidend ist, dass sich die EU-Staaten voll hinter die EU-Kommission als Verhandlungsführerin stellen. Bislang ist das gelungen. Doch das Beispiel Digitalsteuer zeigt mögliche Bruchlinien. Diese potenzielle Schwachstelle Europas ist der Trumpf, den Trump beim anstehenden Poker hat. Allen nationalen Regierungen muss klar sein: Ein Ausscheren aus nationalen Sonderinteressen hätte einen hohen Preis, auch bei einer Digitalsteuer. Nur wer geschlossen handelt, kann entschlossen verhandeln. Daher sind Ge- und Entschlossenheit die zentralen Erfolgsfaktoren beim Poker mit Trump. Dessen Unterhändler werden, darauf kann man wetten, genau diese beiden Kernelemente des europäischen Selbstverständnisses hart testen.
Spielentscheidend ist, dass sich die EU-Staaten voll hinter die EU-Kommission als Verhandlungsführerin stellen.