Luftfahrtbranche

Es droht ein Desaster

Spätestens wenn die Umweltauflagen mit ihren enormen Kosten greifen, wird das weiteren Airlines den Todesstoß versetzen. Schon jetzt sind viele Unternehmen in ihrer Existenz bedroht.

Es droht ein Desaster

In der Luftfahrtbranche ist nach der Krise immer vor der Krise. Die wirtschaftliche Entwicklung der Fluggesellschaften hängt sehr stark von externen Faktoren ab und ist diesen oftmals auf Gedeih und Verderb ausgesetzt. Zuletzt litten die Unternehmen unter den Folgen der Coronavirus-Pandemie, die den Flugverkehr zeitweise zum Erliegen brachte. Abgewürgt wird das Geschäft aber in regelmäßigen Zeitabständen auch durch konjunkturelle Schieflagen, sich ausbreitende Krankheiten oder Terroranschläge irgendwo in der Welt, die die Reiselust dämpfen. Im Unterschied zu den meisten anderen Branchen wird das Fluggeschäft zuweilen auch noch von Aschewolken spuckenden Vulkanen heimgesucht, was Flugverbote zur Folge haben kann. Aktuell setzen die rekordhohen Ölpreise den Unternehmen zu, die durch den Ukraine-Krieg weiter in die Höhe getrieben wurden.

Gegen all das ist bekanntlich kein Kraut gewachsen. Zwar können Fluggesellschaften sich beispielsweise gegen Preisschwankungen beim Öl absichern, mehr für Kerosin ausgegeben wird aber in Zeiten wie diesen trotzdem. Derzeit wird die Lage allerdings noch verschärft durch Faktoren, die die Unternehmen selbst in der Hand haben. Seit Wochen hält die Personalknappheit an den Flughäfen die Branche und die Reisenden in Atem, manch einem schwant schon Böses für die bevorstehende Urlaubszeit. Mit der Lufthansa hat nun erstmals einer der großen Carrier zugegeben, dass auch bei der Airline selbst zu wenig Mitarbeiter an Bord sind – das Unternehmen wird nun Hunderte Flüge streichen müssen. Fluglinien und Flughafenbetreiber haben während der Pandemie Tausende Mitarbeiter entlassen, um sich die Lohnkosten zu sparen, das rächt sich nun. Es muss die Frage erlaubt sein, ob manche Maßnahme – etwa auch das zeitweilige Aus für die Pilotenausbildung der Lufthansa –, Corona hin oder her, tatsächlich angemessen war. Oder ob nicht ein bisschen mehr Weitblick die Firmen fitter für die Zeit nach der Krise gemacht hätte. Zumal die nächsten Herausforderungen bereits auf die Fluglinien warten.

Die mittelfristige Entwicklung des Luftverkehrs wird nämlich stark geprägt sein vom Thema Umweltschutz. Und was da auf die Unternehmen zukommt, dürfte mit keiner der vorherigen Krisen vergleichbar sein. Wenn die Pläne, die beispielsweise die EU-Kommission mit ihrem Projekt „Fit for 55“ lanciert hat, umgesetzt werden, dürfte das die Branche in ihren Grundfesten erschüttern. Denn das Geschäft der Airlines ist auf Wachstum ausgerichtet und Wachstum wird angesichts der umweltpolitischen Zwänge kaum noch möglich sein. Vorhaben wie der Einsatz von nachhaltig produziertem Kerosin oder eine Ausweitung des Emissionshandels werden Fliegen deutlich verteuern, in einem Ausmaß, das kaum ein zu eins an die Passagiere weitergegeben werden kann. Die schon in normalen Zeiten mageren Renditen vieler Airlines werden vor diesem Hintergrund pulverisiert.

Zu den Instrumenten, die die Airlines hin zu einer besseren Umweltbilanz nutzen wollen, gehörten neue Technologien und nachhaltige Kraftstoffe ebenso wie eine effizientere Steuerung der Verkehrsflüsse. Schnelle oder gar billige Lösungen gibt es nicht. In der Branche ist bereits von „Billionen von Dollar“ die Rede, die es kosten wird, um die Luftfahrt CO2-neutral zu machen. Die Ratingagentur Moody’s machte kürzlich für die Branche wegen der von der EU-Kommission vorgesehenen Maßnahmen „besondere Risiken“ aus. Die Lufthansa rechnet vor, dass bis 2030 Mehrkosten von 2 bis 2,5 Mrd. Euro jährlich auf das Unternehmen zukommen könnten – und das bei einem Ergebnis vor Zinsen und Steuern (Ebit) von im Durchschnitt rund 1,6 Mrd. Euro in den sehr erfolgreichen Jahren 2010 bis 2019.

In dieser Gemengelage könnte sich die Konsolidierung, die zumindest in Europa noch in den Kinderschuhen steckt, bald beschleunigen. Und zwar nicht über Mergers & Akquisitions, sondern über mehr Pleiten. Die Pandemie hat manche Firma nicht überlebt, spätestens wenn die Umweltauflagen mit ihren enormen Kosten greifen, wird das weiteren Airlines den Todesstoß versetzen. Vorausgesetzt, es greifen dann tatsächlich Marktmechanismen. Denn noch immer machen Regierungen schnell den Geldbeutel auf, um das Überleben von Carriern zu sichern. Das sorgt seit Jahren für Wettbewerbsverzerrungen und macht den wenigen erfolgreichen Anbietern das Leben schwer. Wenn nicht bald mehr Markt gewagt wird und künstlich am Leben gehaltene Airlines weiter einen Teil des kleiner werdenden Marktes beanspruchen, wird „Fit for 55“ für alle europäischen Fluglinien ein Desaster.

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