Große Geldmanager werden zum Risiko
Assetmanagement
Große Geldmanager werden zum Risiko
Von Daniel Zulauf
Größer, spezialisierter und immer effizienter: Die Konsolidierung
der Assetmanagement-Branche ist nicht
ungefährlich.
Der französische Versicherungskonzern Axa und die Großbank BNP Paribas loten seit August offiziell die Möglichkeiten einer Zusammenlegung der Assetmanagement-Aktivitäten aus. Zwischen Amundi und Allianz Global Investors verlaufen entsprechende Gespräche zwar harziger. Klar ist dennoch: Es herrscht wieder einmal Hochzeitsfieber. Seit Jahren spielt sich in der Assetmanagement-Branche ein Konzentrationsprozess ab, der einer schon fast erschreckend zwingenden Logik folgt.
Seit den 1970er Jahren, als das Weltwährungssystem Bretton Woods begraben wurde und die Entfesselung der Finanzmärkte ihren Anfang nahm, steigen in den meisten Industrieländern die Vermögenserträge weit stärker als die Wirtschaftsleistung. In der Schweiz zum Beispiel, wo es seit 1985 ein für alle Arbeitnehmenden geltendes Gesetz zur beruflichen Vorsorge gibt, hat das zwangsweise angesparte Alterskapital 2023 die Summe von 1.200 Mrd. sfr erreicht. Deren Zuwachs beträgt seit der Jahrtausendwende eindrückliche 160%. Vor diesem Hintergrund verblasst das in jenen 23 Jahren verdoppelte Bruttoinlandsprodukt.
Nach Rücksetzer ging es weiter
Das ist der Boden, auf dem die Assetmanagement-Industrie prosperiert. Eine Fortsetzung der Entwicklung ist zu erwarten. Nach einem kleinen Rücksetzer im Jahr 2022, bedingt durch die Zinswende, sind die von den Assetmanagern verwalteten Vermögen schon im Jahr darauf wieder um 12% auf weltweit 120 Billionen Dollar hochgeschnellt. Das kräftige Volumenwachstum verleiht der Branche ein fast schon jugendlich-dynamisches Aussehen.
Tatsächlich ist die Industrie aber längst in die Jahre gekommen, und sie lässt bei genauerer Betrachtung jene Charakteristika erkennen, die man früher oder später bei jeder reifen Industrie diagnostizieren kann: Der Preisdruck ist hoch, das Volumenwachstum bleibt zwar hoch, aber es lässt nur noch ein stark unterproportionales Ertragswachstum zu. Gleichzeitig zwingt der intensive Wettbewerb zu Investitionen und lässt die Gewinne erodieren.
ETF-Anbieter links auf der Kurve
Wie immer wird in diesem Prozess das mittlere Marktsegment aufgerieben. Im Fall der Assetmanagement-Industrie sind das die aktiven Vermögensverwalter, die sich um den Mittelpunkt der Risiko-Ertrags-Kurve gruppieren. Weiter links auf der Kurve versammeln sich die Anbieter massentauglicher und superbilliger Indexfonds- und ETF-Anbieter à la Blackrock und Vanguard. Am rechten äußeren Rand findet man Blackstone und andere spezialisierte Manager, die vergleichsweise hochpreisige, alternative Anlagen mit überdurchschnittlich hohen Renditeerwartungen feilbieten.
Die Entwicklung lässt natürliche Wettbewerbsvorteile erodieren, wie sie die Assekuranz mit ihren großen Kapitalanlagen oder die Banken mit ihrer Distributionskraft im Privatkundensegment im Assetmanagement eigentlich besitzen. Doch das Maß der Konkurrenzfähigkeit sind die ETF-Weltmeisterin Blackrock oder Private-Equity-Weltmeister Blackstone. Die Firmen, die eigentlich eineiige Zwillinge sind, seit 1994 aber getrennte Wege gehen, stehen für einen Konzentrationsprozess, dessen Überwachung man in anderen Industriezweigen vielleicht allein den Kartellbehörden überlassen könnte.
Doch in der Branche beinhaltet die Konzentration auch ein Risiko für die Finanzstabilität. Wir erinnern uns: Es waren die Geldmarktfonds, die in der letzten Finanzkrise als Brandbeschleuniger wirkten. Im Unterschied zur Krise der 1930er Jahre, als die Sparer die Schalter der Banken selbst stürmten, taten dies 2007 die Assetmanager – quasi im treuhänderischen Auftrag aller Sparer. Auch die Credit-Suisse-Krise zeigte zwischen Herbst 2022 und Frühjahr 2023 mit aller Deutlichkeit: Kommt es unter großen Geldverwaltern zu einer kollektiven Absetzbewegung, sind traditionelle Einlagensicherungssysteme über Nacht nichts mehr wert. Die Notenbanken werden gezwungen, in ihrer Rolle als Lender of Last Resort immer tiefer ins Risiko zu gehen. Über diese dunklen Seiten der hypereffizienten Assetmanagement-Industrie sollten wir dringend mehr wissen.