LeitartikelUS-Haushalt

In der Fiskalpolitik regiert der Irrsinn

Der horrende Zinsdienst der USA frisst einen extrem schnell wachsenden Anteil der Staatseinnahmen auf. Das sollte Investoren an den globalen Märkten schwer zu denken geben.

In der Fiskalpolitik regiert der Irrsinn

US-Fiskalpolitik

Es regiert der Irrsinn

Von Alex Wehnert

Der horrende Zinsdienst der USA frisst einen schnell wachsenden Teil der Staatseinnahmen auf. Das sollte Investoren schwer beunruhigen.

Die Kapriolen der US-Haushaltspolitik laufen aus dem Ruder und drohen der Stabilität der globalen Finanzmärkte schweren Schaden zuzufügen. Die nationale Verschuldung ist inzwischen auf über 36,1 Bill. Dollar ins Kraut geschossen. In Relation zum Bruttoinlandsprodukt drohen die Vereinigten Staaten in nicht allzu ferner Zukunft in einer Liga mit Japan und Italien zu spielen – und das Wachstum der horrenden Zinsverpflichtungen lässt sich durch Steuereinnahmen nur noch sehr bedingt auffangen. Um 37 Mrd. Dollar sind die laufenden Zahlungen der Treasury auf ihre Kredite im vergangenen Quartal gegenüber dem Vorjahr in die Höhe geschnellt, und die Quote „Interest Payments to Tax Receipts“ hat mit 37,8% nun den höchsten Stand seit 1996 erreicht. Der Sprung des vom Zinsdienst aufgefressenen Anteils der Staatseinnahmen, der in den vergangenen beiden Jahren stattgefunden hat, ist in der modernen amerikanischen Geschichte beispiellos.

Teufelskreis der Emissionen

Dies führt die Vereinigten Staaten und damit auch den Kapitalmarkt in einen Teufelskreis, der sich seit dem lang anhaltenden parteipolitischen Streit in Washington um die Anhebung der Schuldenobergrenze im vergangenen Jahr noch deutlicher abzeichnet. Denn um den explodierenden Zinsdienst zu stemmen, ist das US-Finanzministerium gezwungen, in Rekordvolumina neue Anleihen an den Markt zu werfen – und das trotz der jüngsten Zinssenkungen der Federal Reserve zu den höchsten Renditeniveaus seit der Finanzkrise.

Umso problematischer macht dies, dass die US-Notenbank im Zuge ihres Bilanzabbaus als Ankerinvestor für die Auktionen der Treasury weggebrochen ist. Auch die Renditen auf Schatzwechsel fallen seit ihrem steilen Rückgang im September kaum noch, sodass die kurzfristige Neuverschuldung für den amerikanischen Staat wieder teurer geworden ist als mittel- und langfristige. Schließlich sind die liquiden Mittel von Geldmarktfonds in den Übernachtfazilitäten der Fed, die den T-Bill-Markt über Monate stützten, aufgebraucht.

Vertrauen erodiert

Wie stark das Vertrauen in die fiskalische Nachhaltigkeit der USA erodiert ist, lässt sich nicht nur an den Bonitätseinstufungen und Ausblicken der Ratingagenturen ablesen, sondern auch an Sprüngen von Volatilitätsindizes wie dem ICE BofAML Move. Durch die erhöhten Schwankungen im 28 Bill. Dollar schweren Treasury-Segment verlieren die Finanzmärkte ihren stabilen Unterbau. Das wird spätestens zum gewaltigen Problem, wenn sich unter Anlegern die Erkenntnis durchsetzt, dass Donald Trumps Protektionismus wirtschaftsfeindlicher ist als vielfach angenommen. Kollabiert dann noch das angeschlagene US-Gewerbeimmobiliensegment – trotz Hypothekenkredit-Ausfallraten jenseits der 10% noch immer ein unterschätztes Risiko – und fällt der Treasury-Markt in diesem Umfeld als sicherer Rückzugsort weg, ist alles angerichtet für die nächste große Krise.

Langfristig sind solche Verwerfungen nur durch eine US-Fiskalreform zu verhindern. Allein eine verlässliche Ausgabenplanung der Regierung und ein belastbarer Emissionskalender des Finanzministeriums, die nicht ständig durch opportunistische Blockaden der Opposition im Kongress auf der Kippe stehen, wären ein gewaltiger Fortschritt. Dies hätte auch den Nebeneffekt, zu verhindern, dass Regierungsorganisationen wie die Steuerbehörde IRS unverhofft vor Milliarden-Budgetlücken stehen – solche Entwicklungen sind schließlich ebenfalls nicht dazu angetan, das Vertrauen in die Funktionsfähigkeit des Staates zu stärken.

Chancen auf Reform gleich null

Die Chancen auf grundlegende Neuerungen stehen aber bei null. Stattdessen regiert mit Donald Trump schon bald der vollendete haushaltspolitische Irrsinn, der die Verwirrungen um die Staatsausgaben der Biden-Jahre noch alt aussehen lassen dürfte. Die Steuersenkungen des Republikaners werden die Staatseinnahmen drücken, während seine Strafzölle die inländische Inflation treiben und den Spielraum der Fed hinsichtlich einer lockereren Geldpolitik begrenzen werden. Die Zinsverpflichtungen der USA fressen damit noch größere Teile des nationalen Einkommens auf. Wer die Auswirkungen des Fiskalwahns auf die globalen Kapitalmärkte noch kleinredet, dem droht schon bald ein düsteres Erwachen.