Premierministerin Meloni hofft auf Brückenrolle im Verhältnis zu den USA
Giorgia Meloni will Brücken in die USA bauen
Italiens Premierministerin pflegt enge Beziehungen zu Elon Musk
Von Gerhard Bläske, Mailand
Für Elon Musk ist Italien „ein unglaubliches Land“. Der Space-X- und Tesla-Chef ist häufig da. Der Vertraute von US-Präsident Donald Trump erhält Sonderführungen im Kolosseum und tritt beim Parteifest der ultrarechten Partei Fratelli d’Italia von Premierministerin Giorgia Meloni auf. Und er mischt sich ungeniert in Italiens Innenpolitik ein. Doch mit seiner Forderung, die Richter, die der Auslagerung von italienischen Asylverfahren nach Albanien einen Riegel vorgeschoben haben, möchten zurücktreten, hat er den Bogen überspannt. Nachdem Staatspräsident Sergio Mattarella zum „Respekt der Souveränität des Landes“ aufgerufen hatte, telefonierte Meloni ihren „amico“ an. Sie erinnerte ihn an die „komplizierten Beziehungen zwischen Regierung, Justiz und Präsident“. Musk ruderte zurück und bekundete seinen „Respekt für Mattarella und die italienische Verfassung“.
Techtelmechtel dementiert
Meloni und Musk verstehen sich bestens. Auf ausdrücklichen Wunsch der Italienerin hielt Musk im September in New York anlässlich der Überreichung des Global Citizen Award des Atlantic Council die Laudatio auf sie. Er sang ein Loblied auf die Ausgezeichnete, die „innen sogar noch schöner als außen“ sei. Danach saßen die beiden inniglich beieinander. Musk dementierte jedoch ein Techtelmechtel.
Kein Wunder, dass Meloni nach dem Wahlsieg Trumps davon träumt, über dessen Sparkommissar Musk künftig eine Brückenrolle zwischen den USA und Europa zu spielen. Das Engagement und die Visionen ihres „amico Musk“ seien „eine wichtige Ressource für die USA und Italien“.
Italien hätte viel zu verlieren, würde Trump Strafzölle verhängen. 2023 hat Italien Waren und Dienstleistungen im Umfang von 67,3 Mrd. Euro in die USA exportiert: Platz 2 hinter Deutschland. Rom kommt auf einen deutlichen Handelsüberschuss von knapp 42 Mrd. Euro mit den USA. Italien ist sehr stark exportabhängig. Die Ausfuhren des vor Frankreich zweitgrößten Industrielands der EU beliefen sich 2023 auf 626 Mrd. Euro. Damit ist Italien nach China, den USA und Deutschland, aber vor Südkorea und Japan der weltweit viertgrößte Exporteur.
China viertgrößter Handelspartner
Zwar pflegt das Land auch enge Beziehungen zu China. Doch China ist nach den USA „nur“ der viertgrößte Handelspartner Italiens und vor allem bei den Importen bedeutend. Meloni stieg vor etwa einem Jahr aus dem chinesischen Infrastrukturprojekt „Neue Seidenstraße“ aus. Und nachdem Meloni bereits 2023 die Befugnisse des Pirelli-Großaktionärs CNRC stark beschnitten hatte, hat Rom nun ein Verfahren wegen angeblicher Verstöße des chinesischen Aktionärs gegen die Regelung eingeleitet. Meloni fürchtet den Abfluss von Know-how.
Für den Rüstungskonzern Leonardo sind die USA praktisch ein zweiter Heimatmarkt. Und die Audi-Tochter Lamborghini sowie Ferrari setzen dort etwa 30% ihrer Autos ab. Für den französisch-italienischen Autokonzern Stellantis waren die USA in den letzten Jahren die Cashcow. Und für den Zulieferer Brembo sind sie der wichtigste Auslandsmarkt. Auch Lebensmittelproduzenten wie Ferrero (Nutella), Barilla oder Illy setzen stark auf die USA, die ein „Schlüsselmarkt in unserem Wachstumsplan sind“, wie Illy-CEO Cristina Scocchia sagt. Gleiches gilt etwa für Campari, Modehäuser wie Prada, Brunello Cucinelli, Armani oder Tod’s, Yachtenhersteller oder die Möbel-, Pharma- und Maschinenbauindustrie. Auch für die vielen Mittelständler des Landes sind die USA häufig zentral.
Treffen mit Blackrock-Chef
Amerikanische Investmentgesellschaften wie KKR und Blackrock zählen zu den größten Investoren in Italien. Meloni umgarnt auch sie. Erst vor wenigen Wochen traf sie sich in Rom mit Blackrock-Chef Larry Fink. Sie will ihn zu Investitionen in den Bereichen Infrastruktur und Energie bewegen. Fink kam mit dem CEO der italienischen Post, Matteo del Fante, zu Melonis Amtssitz. Blackrock könnte die Beteiligung an der Poste Italiane im Rahmen der geplanten Teilprivatisierung erhöhen und auch bei der Staatseisenbahn einsteigen. Außerdem ist der Vermögensverwalter an der HVB-Mutter Unicredit mit 7%, an der Intesa Sanpaolo mit 5% und an der Mediobanca mit mehr als 4% beteiligt. Ferner halten die Amerikaner mehr als 5% am Kabelhersteller Prysmian und haben Anteile an Mediaset, Stellantis, Enel und Eni.
KKR hat vor einigen Monaten für 22 Mrd. Euro 70% am früheren Festnetz von Telecom Italia erworben. Und für 3 Mrd. Euro kauften die Amerikaner ein Viertel der Eni-Tochter Enilive (Tankstellen, Carsharing). Außerdem sind sie in den Bereichen Chemie, Verpackung und anderen engagiert.
Apple hat 2016 in Zusammenarbeit mit der dortigen Universität ein großes Entwicklungszentrum in Neapel eröffnet und ständig erweitert. Und Amazon will Presseberichten zufolge 1,2 Mrd. Euro für Rechenzentren in Italien investieren. Die amerikanischen Engagements bei den Fußballclubs AS Rom und Fiorentina (Florenz) fallen da nicht so ins Gewicht.
Stefano Caselli, Dekan der Mailänder SDA Bocconi School of Management, hält es für sinnvoll, „den Schwerpunkt auf die Vereinigten Staaten zu setzen, weil es der größte Markt der Welt ist“.
Werben um Investitionen
Insofern tut Meloni gut daran, auf Musk zu setzen. Doch bis dato hat er das Werben der Premierministerin um Investitionen noch nicht erhört. Zwar hat der „amico“ über sein Satellitennetzwerk Starlink in drei italienischen Regionen Versuche gestartet, schnelles Internet zu installieren. Das würde Italien helfen, die von der EU im Rahmen des Europäischen Wiederaufbauprogramms „Next Generation“ gesetzten Ziele zu erreichen. Doch die Verhandlungen über die Lieferung von Satelliten im Umfang von 1,5 Mrd. Euro sind noch zu keinem Abschluss gekommen. Auch Hoffnungen Melonis auf die Produktion eines Low-Cost-Tesla-Modells haben sich bis dato nicht erfüllt. Musk kalkuliert hart. Er fordert die Italiener auf, mehr Kinder zu zeugen: Der (mindestens) elffache Vater gab kürzlich zu bedenken, „dass Unternehmen, die investieren sollen, danach fragen, ob es genug Arbeitskräfte gibt“.
Sein Rivale Mark Zuckerberg ist dagegen längst engagiert. Zusammen mit dem französisch-italienischen Brillenkonzern EssilorLuxottica hat Meta eine intelligente Brille mit dem KI-Assistenten entwickelt, die zu den Wachstumstreibern des italienisch dominierten Konzerns gehört, der an der Börse mit 105 Mrd. Euro bewertet wird. CEO Francesco Milleri glaubt, dass die neuen Technologien eines Tages Smartphones ersetzen. Er will die Zusammenarbeit mit Meta ausbauen und Zuckerberg denkt über eine Kapitalbeteiligung bei EssilorLuxottica nach.
Da Zuckerbergs Schaukampf mit Musk im römischen Kolosseum erst einmal abgesagt worden ist, läuft es für Meloni einstweilen ganz gut. Doch ob ihre Blütenträume einer besonderen Rolle im Verhältnis zu den USA aufgehen, bleibt offen.