Kanzler-Pathos bei Netzentgelt-Deckelung fehl am Platz
Netzentgelt
Kanzler-Pathos
fehl am Platz
Von Christoph Ruhkamp
Am Mittwochabend wollte Bundeskanzler Olaf Scholz eigentlich seine neue „Agenda für Wirtschaftswachstum und Arbeitsplätze“ mit den Koalitionspartnern beschließen. Stattdessen ist die Regierung auseinandergebrochen. Dennoch lohnt sich ein Blick in das Vier-Punkte-Papier. Schließlich sollten die Maßnahmen, die jetzt erst einmal nicht kommen, die deutsche Wirtschaft vor der Deindustrialisierung retten. Zugenommen hatte der Handlungsdruck zuletzt wegen der Steuerschätzung und wegen der jüngsten Prognosen zur bevorstehenden Stagnation.
Im Vergleich zum Klein-Klein, das in dem Papier verhandelt wird, nimmt sich das Pathos des Bundeskanzlers bei der Entlassung von Finanzminister Christian Lindner doch ein wenig übertrieben aus („ich sehe mich zu diesem Schritt gezwungen, um Schaden von unserem Land abzuwenden“). Einer der vier Punkte ist der Vorschlag, für bezahlbare Energiekosten zu sorgen, indem man die Netzentgelte für die Unternehmen deckelt. Für das kommende Jahr sollten die Übertragungsnetzentgelte durch einen Zuschuss aus dem Bundeshaushalt von 1,3 Mrd. Euro auf dem aktuellen Niveau eingefroren werden. Angesichts der Gesamtsumme der Übertragungsnetzentgelte von 10 Mrd. Euro wäre das kein entscheidender Unterschied gewesen. Zumal Details dazu offengelassen wurden, wie ein fester „Garantie-Deckel“ für auch mittelfristig und langfristig nicht mehr steigende Kosten aus dem Netzausbau hätte garantieren sollen.
Jedenfalls wird selbst diese geplante kleinere Entlastung für energieintensive Unternehmen jetzt erst einmal nicht kommen. Das ist eine schlechte Nachricht für Branchen wie Chemie, Stahl und Glas. Wenn sich eine neue Koalition zusammenrauft, wäre bei der Entlastung der Unternehmen von Energiekosten mehr Schwung und weniger Pathos wünschenswert. Denn der gesamte grüne Umbau der Energieversorgung steckt fest. Der Bau neuer Gaskraftwerke kommt nicht ans Laufen, und auch die Wasserstoffproduktion kommt nur langsam vom Fleck. Das sind schlechte Voraussetzungen, um der drohenden Deindustrialisierung Einhalt zu gebieten.