KommentarSanofi-Deal

Kein Laisser-faire in Paris

Wo Berlin vornehm liberale Zurückhaltung übt, greift Paris knallhart ein: Industriepolitik in Berlin und Paris wird verstärkt zum Kontrastprogramm wie der milliardenschwere Sanofi-Deal mit dem Private-Equity-Riesen Clayton Dubilier & Rice zeigt.

Kein Laisser-faire in Paris

Sanofi-Deal

Kein Laisser-faire in Paris

Von Christoph Ruhkamp

Industriepolitik ist in Europa noch immer eine sehr nationale Angelegenheit. In Frankreich ist gerade der bevorstehende Verkauf der milliardenschweren Rezeptfrei-Sparte Opella des Pharmakonzerns Sanofi an den New Yorker Private-Equity-Riesen Clayton Dubilier & Rice zum Politikum geworden. Was dem Deutschen sein Ibuprofen oder Aspirin, ist dem Franzosen sein Doliprane. So ist die Aufregung groß über den Megadeal, der das Unternehmen mit 16 Mrd. Euro bewertet. Damit die sich legt, beteiligt sich die staatliche Investmentfirma Bpifrance mit 2%. Frankreichs Anforderungen an Beschäftigung, Produktion und Investitionen für unentbehrliche Medikamente im Land „werden respektiert werden“. Das stellt Finanzminister Antoine Armand sicher. Jeglicher Verstoß gegen die Vereinbarungen, die Staat, Finanzinvestor und Sanofi unterzeichnet haben, ist mit millionenschweren Strafen bewehrt. So wird Industriepolitik in Paris gemacht.

Das Kontrastprogramm dazu gibt es im liberalen Berlin. Hier herrscht Laisser-faire: Nach dem Verkauf des deutschen Roboterherstellers Kuka an den staatlich kontrollierten chinesischen Konzern Midea und der Akquisition der Heizungssparte des Familienkonzerns Viessmann samt Wärmepumpentechnologie durch den US-Konzern Carrier Global war die Aufregung noch groß. Doch inzwischen ist der Abverkauf deutscher Konzerne richtig in Schwung gekommen: Die Bahn verkauft ihre Speditionstochter DB Schenker für fast 15 Mrd. Euro an den dänischen Logistiker DSV und bahnt so den Weg zur Entstehung des globalen Marktführers der Branche. Den Bund lässt der bevorstehende Arbeitsplatzabbau kalt. Gleichzeitig wird mit Covestro zum ersten Mal ein Dax-Konzern durch einen Ölriesen aus den Golfstaaten übernommen. Adnoc aus Abu Dhabi zahlt mehr als 15 Mrd. Euro für den Kunststoffkonzern aus Leverkusen.

Auch hier hält sich die Bundesregierung heraus. Mit gutem Grund: Es gibt keine Überschneidungen, die größeren Stellenabbau befürchten ließen, und Adnoc hat 150 Mrd. Dollar zum Investieren. Und in die potenzielle Übernahme der Commerzbank durch die Unicredit scheint die Bundesregierung schlafwandelnd hineingeschlittert zu sein. Erst jetzt stemmt sie sich zu spät dagegen. Die knallharten staatlichen Eingriffe in Frankreich können kein Vorbild für Berliner Industriepolitik werden. Dennoch sollten Konturen deutscher Industriepolitik wieder klarer erkennbar werden. Sich einfach nur herauszuhalten, ist keine Industriepolitik.

Liberale Zurückhaltung versus knallharte Interessenvertretung: Industriepolitik in Berlin und Paris wird verstärkt zum Kontrastprogramm.

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