Italienische Banken sind heute stärker denn je
Blickfeld
Konsolidierung machte Italiens Banken stark
Krise kann auch eine Chance sein: Märkte, Aufsichtsbehörden und die Regierung erzwangen schon vor Jahren tiefgreifende Veränderungen.
Von Gerhard Bläske, Mailand
bl Mailand
Italiens Bankenlandschaft hat seit der Finanzkrise einen tiefgreifenden Wandel erfahren. Von etwa 500 selbständigen Instituten sind kaum hundert übrig geblieben. Die Konsolidierung ist noch nicht zu Ende. Mit dem Einstieg von Italiens drittgrößter Bank BPM bei der teilstaatlichen Monte dei Paschi di Siena (MPS) und dem Übernahmeangebot für den Vermögensverwalter Anima schien sie einen Abschluss gefunden zu haben. Die Offerte von Unicredit für die BPM könnte die Karten neu mischen. Im Erfolgsfall entstünde eine neue Nummer 1 in Italien und in der Eurozone.
Italiens Regierung hätte dann ein Problem. Denn Unicredit-CEO Andrea Orcel hat erklärt, an der Monte dei Paschi, deren Übernahme er 2021 geprüft, dann aber verworfen hatte, nicht interessiert zu sein. Rom müsste dann wohl einen neuen Partner für die frühere Krisenbank suchen.
Golden-Power-Regelung
Die Regierung dementierte Gerüchte, es sei ein Notstandsdekret geplant, um eine Übernahme der BPM zu verhindern. Ministerpräsidentin Giorgia Meloni will den Markt entscheiden lassen. Gleichzeitig droht sie: „Die Regierung verfügt über Instrumente, um einzugreifen, wenn sie zu dem Schluss kommt, dass die Transaktion nicht im nationalen Interesse liegt.“ Stefano Caselli, Dekan der Mailänder SDA Bocconi School of Management, sagt: „Es bleibt abzuwarten, wie sich die Regierung positionieren wird. Das ist noch nicht klar. Eine Möglichkeit besteht darin, den Einsatz der Golden-Power-Regelung zu prüfen.“ Sollte Unicredit die BPM übernehmen, entstünde ein Duopol mit zwei großen Instituten. BPER würde mit großem Abstand folgen.
Starke Institute
Dass es sich Unicredit finanziell erlauben kann, zwei Übernahmeangebote gleichzeitig vorzulegen, macht deutlich, wie stark Italiens Banken sind. Per Ende September haben allein die fünf größten Institute Gewinne von 29,4 Mrd. Euro vermeldet. Die Kapitalquoten sind solide. Die Ausschüttungen an die Aktionäre riesig. Der Anteil fauler Kredite ist gering. Die Intesa Sanpaolo und die HVB-Mutter Unicredit stehen, gemessen an der Kapitalisierung, in der Eurozone ganz vorn.
Das ist auch Ergebnis der Konsolidierung. Neben den Großbanken gibt es Onlinebanken wie Fineco und Illimity, den Crédit Agricole, der mit 9,2% an der BPM beteiligt ist und mehrere Institute in Mittelitalien übernommen hat, sowie die BNP Paribas, die vor Jahren die BNL erworben hat. Stark ausgedünnt ist das Lager der Volksbanken, Sparkassen und Genossenschaftsbanken.
Druck auf das Bankensystem
Bei der Bankenkonsolidierung hat auch die Politik kräftig mitgemischt. Der damalige Ministerpräsident Matteo Renzi hatte 2015 die Umwandlung aller Volksbanken mit einer Bilanzsumme von mehr als 8 Mrd. Euro in Aktiengesellschaften beschlossen. Die Institute sollten durch die Fusionen stabiler werden. In Folge der Finanzkrise hatten viele von ihnen Probleme bekommen und mussten vom Steuerzahler mit vielen Milliarden Euro gerettet werden. Caselli zufolge war die Konsolidierung aber auch „Ergebnis des Drucks der Märkte und des von den Aufsichtsbehörden in Europa eingeschlagenen Kurses. In Deutschland war der Druck auf das Bankensystem, sich zu verändern, geringer.“ Das könne sich „in der aktuellen Krisensituation ändern und der Druck auf eine Konsolidierung auch in Deutschland zunehmen“.
Von den einst 474 Volksbanken sind nur noch rund 20 übrig. Von den zehn größten Volksbanken landeten vier bei der Intesa Sanpaolo, die die guten Teile der Volksbank von Vicenza und Veneto Banca für einen symbolischen Euro erhielt, während die schlechten Risiken an die staatliche Bad Bank Amco gingen. Italiens größte Bank bekam obendrein noch einen Risikoaufschlag von 5 Mrd. Euro gezahlt, für den die Steuerzahler aufkommen mussten.
Weitere Fusionen
Zwei weitere Volksbanken gingen an die Ubi Banca, die inzwischen von der Intesa Sanpaolo übernommen wurde. Der französische Crédit Agricole übernahm FriulAdria und Creval. Aus der Fusion der Banca Popolare di Milano und der Veroneser Banca Popolare entstand die BPM, die jetzt womöglich in der Unicredit aufgeht, die ebenso wie die Intesa Sanpaolo selbst Ergebnis vieler Übernahmen ist.
Die Banca Popolare dell’Emilia Romagna (BPER) aus Modena gehört zu den wenigen überlebenden Volksbanken: Sie hat vor zwei Jahren die Genueser Sparkasse Carige übernommen. Und ihr Großaktionär Unipol hält 19,7% der Anteile der Banca Popolare di Sondrio.
Zehn Sparkassen
Es gibt noch einige Volksbanken in Süditalien, die Südtiroler Volksbank sowie die Volksbank von Bari, die 2021 mit 1,6 Mrd. Euro vom Einlagensicherungsfonds Fitd der Privatbanken und vom Staat gerettet wurde. Übrig sind außerdem noch zehn Sparkassen, darunter die Südtiroler Sparkasse. Die etwa 280 Raiffeisen- und Genossenschaftsbanken Italiens mussten sich, mit Ausnahme der 39 Südtiroler Raiffeisenkassen, schon vor Jahren auf staatlichen Druck hin in zwei Holdings zusammenschließen.
Die Konsolidierung ist auch Konsequenz der über viele Jahre zu engen Symbiose von lokalen Entscheidungsträgern mit Banken- und Unternehmensvertretern. Hunderttausende von Anteilseignern und Steuerzahlern zahlten die Zeche. Der Niedergang vieler Institute hat auch mit unprofessionellen Anlagen, Korruption und Vetternwirtschaft zu tun.
Italiens Banken sind heute stärker als deutsche, weil sie kräftig Kosten reduziert, auf Digitalisierung gesetzt und teilweise eigene Onlinebanken gegründet haben. Die meisten faulen Kredite wurden verkauft, Vermögensverwaltung und Bancassurance ausgebaut. Damit sind sie weniger abhängig von Zinserträgen.
„Es braucht große Banken“
Nach Angaben des früheren Chairmans der heute zur Intesa Sanpaolo gehörenden Ubi Banca, Andrea Motrasio, kennen die Großbanken die Probleme vieler lokaler Unternehmer nicht, vor allem, weil diese Unternehmen keine Ansprechpartner bei den Banken hätten.
Caselli tritt für eine Fortsetzung der Konsolidierung ein: „Es braucht heute keine kleinen Banken mit lokaler Verankerung mehr, sondern große Banken mit einer anderen Governance, die Investoren anlocken und in neue Technologien investieren können.“ So wie Unicredit. „Unicredit ist finanziell stark, sehr gesund und kann sich beide Übernahmen leisten. Letztlich entscheidet der Markt, und der sagt im Moment Nein.“