KommentarFrankreichs neuer Premier

Kontinuität statt Veränderung

Emmanuel Macron setzt mit seiner Personalentscheidung auf Kontinuität, da seiner neuer Premierminister Michel Barnier seinen Werten nahesteht.

Kontinuität statt Veränderung

Kontinuität statt Veränderung

Frankreich

Von Gesche Wüpper

Dass Frankreich das Land der Widersprüche ist, zeigt sich auch bei den letzten Regierungschefs. Auf den jüngsten Premierminister der V. Republik folgt nun mit Michel Barnier der älteste. Seine Erfahrung in der Politik wird Barnier in seiner neuen Funktion gut gebrauchen können, denn der 73-Jährige steht nicht nur bei der Regierungsbildung vor einer kniffeligen Aufgabe, da die französische Nationalversammlung nach den vorgezogenen Neuwahlen in drei ungefähr gleich große Lager gespalten ist. Deshalb entbehrt es nicht einer gewissen Ironie, dass Macron dabei auf den früheren EU-Kommissar setzt, der mit Großbritannien die Modalitäten für den Austritt aus der europäischen Gemeinschaft verhandelt hat.

Die Chancen, dass Barniers Kabinett einige bekannte Gesichter aus der letzten Regierung angehören werden, sind angesichts des zersplitterten Parlaments groß. Überhaupt setzt Macron mit der Personalentscheidung auf Kontinuität. Denn die Werte seines neuen Premiers ähneln seinen. Mit Barnier kann Macron sicher sein, dass seine Rentenreform nicht rückgängig gemacht wird. Er läuft jedoch Gefahr, mit seiner Entscheidung für Kontinuität den Unmut der Bevölkerung zu entfachen, dass er trotz der Wahlniederlage seiner Partei nichts ändern will. Das Linksbündnis Nouveau Front Populaire (NFP), das bei den Neuwahlen am besten abgeschnitten hat, aber weit entfernt von der absoluten Mehrheit liegt, wirft Macron vor, den Wahlausgang zu verleugnen und ein Autokrat zu sein. Es hat deshalb für Samstag zu Protesten aufgerufen.

Frankreichs Staatspräsident hat die Geduld seiner Landsleute ohnehin überstrapaziert, da er sich mit der Suche nach einem neuen Premierminister fast zwei Monate lang Zeit gelassen hat. Mit seinem Zögern hatte er sich in eine Sackgasse hineinmanövriert, aus der es immer schwieriger wurde herauszukommen. Macron ist jedoch nicht der einzige, der Schuld daran ist. Dafür sind auch all jene mitverantwortlich, die bei der Suche nach einem Premier mit dem Misstrauensvotum gedroht haben.

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