Im BlickfeldAgrarhandelskonzern ringt um Neuanfang

Krise der Baywa verschärft sich

Die Krise des Agrarhandelskonzerns Baywa hat sich verschärft. Beim Abbau von 1.300 Stellen wird es nicht bleiben. Die Zerschlagung des Konzerns führt zu weiterem Personalabbau via Entkonsolidierung von Auslandstöchtern und Beteiligungen.

Krise der Baywa verschärft sich

Im Blickfeld

Krise des Agrarhändlers Baywa nimmt an Schärfe zu

Weitere Zusatzaufwendungen zur Firmenrettung schmälern spürbar die Profitabilität der Kreditgenossen als Haupteigentümer.

Von Stefan Kroneck, München

Die Serie von Hiobsbotschaften der Baywa reißt nicht ab. Der dieser Tage vom Agrarhandelskonzern angekündigte Abbau von 1.300 Vollzeitstellen vor allem in Deutschland in Verwaltung und IT bildet den bisherigen Höhepunkt schlechter Nachrichten. Das traditionsreiche Unternehmen aus dem Genossenschaftssektor produziert diese zuhauf seit dem 12. Juli, also jenem Tag, an dem sich die Münchner Firma per Ad-hoc-Mitteilung zu Sanierungsfall erklärte.

Für die vom alten Vorstand und vom Aufsichtsrat zu verantwortende Schieflage des defizitären und hoch verschuldeten Konglomerats sollen ein Großteil der Mitarbeiter mit dem Verlust ihrer Arbeitsplätze zahlen. Unter diesem Blickwinkel werden die Verhandlungen des Managements mit dem Betriebsrat kaum harmonisch ablaufen.

Personalabbau wird viel umfangreicher sein

Als Maßstab für die Stellenstreichungen führt die Führung des Krisenkonzerns 8.000 Mitarbeiter an, die insgesamt in Vollzeit an den Standorten im Heimatmarkt für die Baywa tätig sind. Der Einschnitt beträfe damit 16% der Kernbelegschaft. Ausgeschlossen sind damit jene Personen, die das Unternehmen im Ausland, und darunter insbesondere in Übersee, sowie im Rahmen von Mehrheitsbeteiligungen beschäftigt. Das betrifft über 15.000 Mitarbeiter, die die Baywa in ihrer Bilanz zusätzlich aufführt. Somit kam der Konzern Ende 2023 auf insgesamt mehr als 23.000 Beschäftigte weltweit.

Angesichts der zwischen den Gläubigerbanken und den kreditgenossenschaftlichen Baywa-Haupteigentümern beschlossene Zerschlagung des Mischkonzerns mit seinen rund 600 Untergesellschaften wird der Personalabbau unter dem Strich viel umfangreicher ausfallen, als das Unternehmen mit der kürzlich beschlossenen Maßnahme suggeriert. Dafür werden Entkonsolidierungseffekte sorgen. Allein die ebenfalls sich in Schieflage befindliche Solar- und Windkraftanlagenprojekttochter Baywa r.e. umfasst rund 4.000 Personen. In der Neuaufstellung ist für den von den Gläubigerbanken und den bayerischen Volks- und Raiffeisenbanken installierten Restrukturierungsvorstand Michael Baur, einen Sanierungsfachmann von Alix Partners, die Baywa r.e. eine Randaktivität. Das heißt, eine Trennung von der 51-Prozent-Beteiligung gilt als ausgemacht, obwohl die Geschäftsführung das explizit so noch nicht nach außen kommunizierte.

Trennung von Baywa r.e. schwierig

Eine Rolle dabei dürfte spielen, dass ein Verkauf derzeit schwierig ist. Denn den Markt ist aufgrund der Überschwemmung mit Billigprodukten aus China extrem angespannt. Eine Abwicklung in Eigenregie birgt das höchste Risiko. Denn das sorgte für massive Mehrkosten, über die selbst die Baywa für ein solches Szenario noch keinen genauen Überblick haben dürfte.

Unabhängig davon ist aber gesetzt, dass sämtliche Zusatzaufwendungen de facto überwiegend die genossenschaftlichen Primärbanken des flächenmäßig größten deutschen Bundeslandes zu tragen haben. Denn diese gaben (auch öffentlich) Stützungsgarantien für die Baywa ab. Die Kreditgenossen halten nahezu 34% des Grundkapitals. Dabei dürften die zuletzt von den Gläubigerbanken und den Kreditgenossen geleisteten Liquiditätshilfen von bislang zusammen 1 Mrd. Euro längst nicht ausreichen, um den Konzern dauerhaft zu stabilisieren.

Risiken für geplant Kapitalerhöhung

Da die Nettoverluste an der Firmensubstanz nagen, empfahlen die mit einem Sanierungsgutachten beauftragten Unternehmensberater von Roland Berger eine Kapitalerhöhung im kommenden Jahr. Nach Berechnungen der Börsen-Zeitung dürfte das Eigenkapital des Konzerns spätestens Mitte 2025 komplett aufgezehrt sein, sollten die Fehlbeträge im laufenden Quartal und in der ersten Hälfte des nächsten 12-Monats-Berichtsturnus das gleiche Ausmaß erreichen wie zuletzt. Eine Kapitalerhöhung in Milliardenhöhe wäre in diesem Fall keine Utopie. Ende September schmolzen die Eigenmittel auf rund 1 Mrd. Euro zusammen.

Für die Volks- und Raiffeisenbanken wäre das nicht nur finanziell ein sportliches Unterfangen, sondern auch zeitlich. Denn die Baywa verfügt über kein genehmigtes Kapital in dieser Größenordnung. Die für den 27. Mai 2025 angesetzte ordentliche Hauptversammlung könnte im Extremfall mit neuen Vorratsbeschlüssen zu spät sein, um eine Kapitalerhöhung unter Zeitdruck technisch geordnet über die Bühne zu bringen. Hinzu kommt, dass die vinkulierte Namensaktie des einstigen SDax-Mitglieds nach dem Kurssturz der vergangenen Monate derzeit bei unter 10 Euro notiert. Das entspricht einem Marktwert von nur noch 358 Mill. Euro.

Rückstellungen dürften zum Jahresende drücken

Ob das Tempo der roten Zahlen und des Cash Burn im Jahresschlussquartal zu- oder abgenommen hat, wird sich frühestens Ende Januar 2025 zeigen, wenn möglicherweise erste Bilanzeckdaten für 2024 vorliegen. In den ersten neun Monaten dieses Jahres häufte die Baywa einen Konzernfehlbetrag von 641 Mill. Euro an. Das entspricht dem Siebenfachen des Jahresverlusts 2023. Für eine zusätzliche Belastung dürften Rückstellungen für den Personalabbau in Form von Abfindungen sorgen. Zugleich könnte ein im Spätsommer verkündeter zeitweiliger Zinstilgungsverzicht der Gläubigerbanken den Konzern entlasten. Aufgrund der hohen Zinsaufwendungen verzeichnete die Baywa zuletzt ein tiefrotes Finanzergebnis.

Die Risiken und dramatisch schlechten Zahlen zeigen, dass es für die Baywa noch ein holpriger Weg sein wird bis zum avisierten Abschluss der Sanierung bis Ende 2027. Die Gefahr von Rückschlägen für Baur und die Kreditgenossen ist dabei hoch.